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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Autoren: Ju Honisch
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Berge.
    Wieder kam ein Murmeln vom Boot.
    „Gut“, sagte der Mann. „Wir bringen Sie an Land. Können Sie die Bordleiter hinunterklettern?“ Er feixte.
    In weiten, langen Röcken eine Leiter hinunterzusteigen würde schwierig werden. Clarissa hatte es einfacher; ihr Jungmädchenkleid war kürzer. Außerdem war da noch das Gepäck.
    Der letzte Gedanke musste sich in ihrem Gesicht widergespiegelt haben, denn der Mann nahm ihr Gepäck und hob es über die Reling. Sie durfte es nicht verlieren. All ihre Besitztümer waren darin und natürlich das restliche Geld, denn sie hatte den Mann angelogen. Einen Augenblick lang fürchtete sie, man würde ihr das Gepäck rauben und sie auf dem Schiff lassen, doch dann streckte der Mann ihr die Hand entgegen, um ihr über die Reling zu helfen.
    „Komm“, sagte sie fest, nicht so sehr, um Clarissa zu motivieren, als um sich selbst als willensstarke Frau darzustellen. Dann hob sie die Röcke und schwang ihr Bein übers Geländer, wohl wissend, dass die Männer im Boot ihre Beine und ihre Unterwäsche sehen konnten.
    „Hübsch“, sagte auch schon einer, und ein anderer schmatzte mit den Lippen. Sie hätte das hier nie anfangen sollen, doch nun war es zu spät.
    Ihre Schnürstiefel rutschten auf dem nassen Holz der Leitersprossen. Sie hielt sich am Tau fest und bedauerte, ihre Handschuhe nicht ausgezogen zu haben. Doch die Strecke war kurz, und jemand hob sie bei der Taille unwirsch ins Boot. Dann kletterte Clarissa über die Reling. Wenn sie jetzt anfing zu träumen, würde sie in den Fluss fallen, und vermutlich würde keiner der Männer sich bemüßigt fühlen, sie zu retten.
    Doch sie landete leichtfüßig im Boot, wandte sich Konstanze zu, lächelte – aber dann wanderte ihr Blick über Konstanzes Schulter nach hinten. Ihre Züge verkrampften sich vor Furcht.
    Konstanze drehte sich auf der Ruderbank und blickte in das Gesicht des Preußen. Da saß er, direkt hinter ihr, mit ihrem Koffer.
    „Willkommen!“, sagte er. Er hörte nicht einmal auf zu grinsen, als seine Faust gegen ihren Kopf knallte. Sie merkte noch, wie sie die Kontrolle über ihren Körper verlor und in die Dunkelheit sank, und begriff in einem letzten Gedanken, dass niemand im Fluss nach ihr suchen würde.
    Was würde jetzt mit Clarissa geschehen?

Kapitel 5

    E r hätte sich einmischen sollen . Doch er hatte sich bereits einmal eingemischt, und wohin hatte das geführt? Die junge Frau und ihr Schützling waren dem Preußen aus freien Stücken ins Boot gefolgt.
    Richard von Rosberg hatte gesehen, wie die beiden über die Reling verschwunden waren. Auch ihm war das lautlose Boot aufgefallen. Dessen freches Andockmanöver konnte nur heißen, dass einige – wenn nicht alle – der Königlich Bayerischen Zollbeamten geflissentlich wegsahen. Die Gegend hier war schon so lange Grenzgebiet, dass Schmuggel fast ein Volkssport war.
    Als Passau noch Fürstbistum gewesen war, war die Kontrolle wahrscheinlich um einiges strikter gewesen. Doch München war weit, und dieser Teil war immer noch der hinterste Winkel und das Armenhaus des Landes: das Grenzland zwischen Bayern, Österreich und Böhmen. Kriege hatte man darum gef ührt, u nd Schmuggler hatten schon von jeher Wege gefunden, vom einen Reich in das nächste zu kommen. Offenbar hatte sich das nicht geändert. Als Mitglied des gesetzestreuen Landadels sollte er das nicht zulassen.
    Doch von Rosberg hatte kein Interesse daran, sich mit Schmugglern anzulegen. Er blieb gern im Hintergrund. Das war besser für ihn und alle anderen auch. Er führte ein stilles Leben. Er zahlte pünktlich seine Steuern. Er kümmerte sich um die Menschen, die von ihm abhängig waren, ohne sich im Geringsten in ihr Leben zu mischen. Er hasste Komplikationen und hatte wahrlich genug eigene Probleme, ohne sich die vollkommen fremder Menschen aufzubürden.
    Seine Entscheidung, den beiden Damen zu Hilfe zu eilen, irritierte ihn selbst noch. Das Mädchen hatte seinen Beschützerinstinkt geweckt. Es hatte etwas an sich, das er nicht definieren konnte. Es war wie ein altes Gemälde, eine Erinnerung aus früheren Zeiten, die längst erloschen war, und wirkte so verträumt und hilflos.
    Er hatte selbst keine Nachkommen. Es gab Gründe dafür, dass er nie geheiratet und eine Familie gegründet hatte. Das Geschlecht sollte mit ihm aussterben, sofern es ihm nicht doch noch gelingen sollte, dem Grauen ein Ende zu setzen, das mehrere Generationen vor ihm schon vergeblich bekämpft hatten. Doch das war
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