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Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Schwingen aus Stein: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Autoren: Ju Honisch
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mehr als unwahrscheinlich.
    Die Begleiterin des Kindes hatte ganz und gar nicht verträumt gewirkt. Er zweifelte nicht daran, dass die ansehnliche junge Frau mit den großen, graugrünen Augen, dem strengen Dutt und dem bescheidenen Kleid nicht davor zurückgeschreckt hätte, dem Kerl eine Lektion mit dem Schirm zu erteilen. Lektionen zu erteilen war sicher ihr Beruf. Doch sie hätte nur verlieren können. Von Rosberg kannte den Mann. Ein übler Zeitgenosse, der in fast jeder dunklen Machenschaft dieser Gegend seine Finger hatte.
    Das Schiff näherte sich dem Kai, und durch den Regen und die Abenddämmerung konnte von Rosberg ein paar Menschen ausmachen, die dort warteten. In ihm läuteten die Alarmglocken , als er eine Gruppe von drei Männern erblickte, ihre Gesichter ein Bild von geschulter Abgeklärtheit und zugleich sprungbereiter Aufmerksamkeit. Einer von ihnen hielt seinen Rosenkranz auf eine besondere Weise, schwang das Kruzifix daran wie ein Pendel hin und her.
    Die Logik sagte ihm, wie unwahrscheinlich es war, dass sie zur Bruderschaft gehörten. Der Orden war geschrumpft und hatte an Bedeutung verloren. Es gab nicht mehr genug Fanatiker, die die Organisation so weitermachen ließen wie früher. Dieses Wissen war jedoch reine Theorie.
    Dennoch hatte der Anblick jener drei Männer im Regen genau diesen einen Gedanken aufflammen lassen: die Fraternitas Lucis.
    Er fragte sich, wen sie wohl suchten, und verfluchte sein Erbe. Doch da war nichts zu machen. Vielleicht würden sie ihn gar nicht wahrnehmen – falls sie nicht seinetwegen gekommen waren. Doch weshalb sollten sie? Niemand war je gekommen. Er war in seiner Einsamkeit immer sicher gewesen.
    Wenn sie auf jemand anderen warteten, der auf dem Dampfer war, hätte er gern gewusst, auf wen – und schon formte sich eine abwegige Idee in seinem Kopf. Die Frau hatte wie eine Lehrerin gewirkt, das Mädchen war nur ein Kind. Doch da war etwas. Er konnte es nicht definieren. Ihre Verträumtheit gab ihr eine eigene Aura. Selbst ihr Duft war außergewöhnlich, wie ein Frühlingswald, auch wenn ihm das nicht gleich aufgefallen war. Das Dampfschiff war voller Gerüche; es überwältigte einen fast.
    Er reiste immer Erster Klasse, schon um dem allzu intensiven Odeur auszuweichen. Seine Nase war zu sensibel. Auch das war angeboren und ließ ihn Menschenmengen und überfüllte Orte meiden. Im Grunde hasste er es zu reisen, doch da er Grundbesitz nicht nur in Bayern, sondern auch in Österreich-Ungarn hatte, blieb ihm bisweilen nichts anderes übrig.
    Natürlich half das Dampfschiff, schnell von einem Ort zum anderen zu kommen. Der Fortschritt im Transportwesen geschah so schnell, dass die Welt um einen herum zu schrumpfen schien.
    Ob er Letzteres mochte, wusste er nicht. Der Wind der Veränderung war um einiges brutaler als der b öhmische Wind, der diesen Landstrich rau machte. Im Winter begrub Schnee den Wald und die Bauernhöfe und blies Tod und Verderben um alles und jeden, der es wagte, seinen Kopf hochzustrecken. Schneewehen blockierten dann die Wege und wirkten wie plötzlich eisige Realität gewordene Teile der Wilden Jagd.
    Bald würde es wieder Winter sein. Die Kälte kündigte sich bereits an. Der Wind tanzte um den Kompass, und wann immer er aus Osten blies, wusste man, dass die schlimme Zeit gekommen war.
    Ihm allerdings ging es gut. Seine Besitzungen machten ihn reich – im Vergleich zu den Armen dieses Landes. Er nannte ein festes Zuhause sein Eigen, und so hatte er Wärme und Behaglichkeit. Vielleicht war er im Vergleich zum Münchner Adel kein Krösus, doch der Wald ernährte ihn. Holz brauchte man für vieles, und er besaß große Mengen davon. Es waren seine Baumstämme, die über den Schwarzenberg-Kanal Richtung Wien drifteten, um dort verkauft zu werden.
    Das Maschinengeräusch ließ nach, und das Schiff dümpelte an den Kai. Seine Mitreisenden warteten im Stehen darauf, an Land zu kommen.
    Er zog seinen Zylinder tiefer ins Gesicht und ergriff seine Tasche. Er reiste immer leicht. Auf seinem Anwesen in Österreich hatte er Kleidung und alles, was er brauchte. Seine Tasche enthielt nur Geschäftspapiere und seine Pistole. Die hatte er immer dabei, wenn er durchs wilde Land musste.
    Verdammt. Er hatte sich so sicher gefühlt. Für seinen Hauptfeind war der Fluss ein untypisches Ziel. Nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich, und auch seine Ländereien flussabwärts in Österreich befanden sich allenfalls am Rande der Gefahrenzone. Wenn er gekonnt
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