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Schwindel

Titel: Schwindel
Autoren: Kristina Dunker
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bestellt und nicht abgeholt?
    Natürlich war ein mir unbekannter, dunkler Wald nicht meine Sache, aber ich konnte nicht mehr warten, das hielt ich einfach
     nicht aus.
    Ich ging los, zögerlich. Doch, das war besser. Mit jedem Schritt löste sich die Anspannung, die mir den Hals zugeschnürt hatte.
    Ich überquerte die Brücke. Der Munkelbach war nach dem verregneten Sommer ein kraftvolles, lautes Flüsschen. Zu verfehlen
     wäre der Weg sicher nicht und wegen der Baumwurzeln und Unebenheiten des Weges würde ich gleich meine Turnschuhe anziehen.
     Der Gedanke beruhigte mich etwas. Auch wenn mein Handy nicht funktionierte, so war ich dennoch bestens ausgestattet.
    Nach der Brücke bog ich links in eine verkehrsberuhigte Wohnstraße ein. Die Laternen warfen ein heimeliges Licht auf das Pflaster,
     vor den hell erleuchteten Fenstern blühten Geranien und man hörte Töpfe klappern und Fernsehergeräusche. Ich fasste die Trageschlaufen
     des Rucksacks, legte die Arme an die Seiten und lief zügig weiter. In diesem Kaff würde eh kein Taxi mehr zum Bahnhof kommen
     und mit dem kurzen Spaziergang konnte ich mir auch etwas beweisen, nämlich dass ich keine Angst hatte, vor anderen Menschen
     nicht und auch nicht vor einem dunklen Wald. Dieser Weg war mein erster Bewährungstest, den ich mit Bravour bestehen wollte.
     Der Fuchs würde stolz auf mich sein, Julian würde zwar den Kopf schütteln, mich dann aberküssen und sagen: »Wusst ich’s doch, du bist immer für Überraschungen gut!«
    In diesem Moment hörte ich hinter mir ein Motorengeräusch, sah mich um: ein Taxi. Es überquerte die Brücke, wendete auf dem
     Platz und parkte an der Wartestation direkt vor dem Schnellimbiss. Ich überlegte: zurückgehen und einsteigen? Jede vernünftige
     junge Frau wäre zurückgegangen. Ich war nie eine gewesen und tat es nicht. Nein, ich würde jetzt keinen Rückzieher machen.
    Nach etwa vierhundert Metern teilte sich die Straße. Der asphaltierte Teil, den Einfamilienhäuschen säumten, bog im rechten
     Winkel vom Bach ab und zog sich den Hügel hinauf. Der andere Teil, der parallel zum Bach verlief, war eine ausgewiesene Sackgasse
     und nur mit Kopfsteinpflaster bedeckt. Die Häuser standen hier spärlicher und waren von größeren Gärten umgeben. Ich blieb
     stehen und wechselte meine Schuhe, wollte so geschickt und leise sein wie die getigerte Katze mit den weißen Pfoten, die eben
     die Straße kreuzte.
    Niemand begegnete mir. Die letzten Häuser waren von hohen Hecken umgeben und standen so weit zurückversetzt, dass ich selbst
     das Licht, das aus ihren Fenstern drang, nur ahnen konnte. Am Ende der Sackgasse angelangt, unter der allerletzten Straßenlaterne
     stehend, merkte ich auf einmal,
wie
dunkel es war. Vorhin auf dem erleuchteten Platz war mir das gar nicht so deutlich aufgefallen. Auch das Gespräch der beiden
     Frauen hatte ich zwar gehört, aber nicht verinnerlicht. Erst jetzt wirkte der beiläufig gehörte Satz über das verschwundene
     Mädchen – wie hieß sie noch, irgendwasmit A – wie ein bedeutungsvoller Hinweis an mich, wie eine Warnung vor dem Waldweg, vor dem Dunkel. Ich spürte, wie ich zu
     zittern anfing. Warum war ich eigentlich nicht zum Taxi zurückgegangen? Sicher stand es jetzt nicht mehr da, war längst wieder
     auf Tour.
    Der Wanderpfad begann direkt vor meinen Füßen, schlängelte sich ein paar Meter durch eine verwilderte Wiese, um dann hinter
     einer den Bach querenden Holzbrücke unter dem schwarzen Blätterdach der Bäume zu verschwinden.
Rundwanderweg Romantisches Munkelbachtal
kündigte ein am Laternenpfahl angebrachtes Holzschild mit stilisiertem Eichhörnchen an. Das stümperhaft geschnitzte Tier wirkte
     eher gefräßig als niedlich und die Zeitangaben unter dem Schriftzug – vor allem die erste:
Rauschenmühle 30   Minuten –
ermutigten mich auch nicht, obwohl ich mir einredete, dass sie sich ja an bummelnde Ausflügler und fußlahme Rentner richteten,
     nicht an Jugendliche. Ich würde den Weg viel schneller schaffen. Trotz Gepäck, hoffte ich.
    Bevor ich losging, sah ich noch auf meine Armbanduhr, hielt sie direkt unter den Lichtschein der Laterne, um das Zifferblatt
     lesen zu können: 20   Uhr! Nacht war es ja eigentlich noch nicht. Auch nicht in 30   Minuten. Andere Leute gingen jetzt mit dem Hund raus. Warum sollte ich nicht furchtlos und unerschrocken auf einem romantischen
     Weg zu meinem geliebten Freund gehen?
    Wie ich gedacht hatte, war der Weg auch im Wald kaum
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