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069 - Ein gerissener Kerl

069 - Ein gerissener Kerl

Titel: 069 - Ein gerissener Kerl
Autoren: Edgar Wallace
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    Es fing mit einer kleinen Meinungsverschiedenheit zwischen einem Trainer, einem Jockey und einem Buchmacher von zweifelhaftem Ruf an. Der Streit ging um die Stute Ectis, die Favoritin für den Königlichen Jagdpokal. Gegen Jockey und Trainer bestand bereits ein gewisser Argwohn; sie mußten also darauf achten, sich nicht allzusehr zu kompromittieren.
    Die Frage war, ob man die Stute vor dem Ziel »bremsen« sollte oder ihr, wie es der Jockey vorschlug, vor dem Rennen eine kleine Dosis Laudanum verabreichen und damit von vornherein jedes Risiko ausschalten sollte. In beiden Fällen mußte man mit Unannehmlichkeiten rechnen. Denn wurde die Stute im Rennen zurückgehalten, fiel der Verdacht auf den Jockey. Hatten dagegen die Schiedsrichter den Argwohn, daß das Tier »verarztet« worden war, würden sie eine Untersuchung verlangen, deren Resultat unweigerlich dazu führen mußte, den Trainer für immer vom Rennplatz zu verweisen.
    Schließlich siegte der Trainer. Ectis sollte vor dem Ziel aufgefangen werden. Der Buchmacher, der für beide Teile die Wetten legte, machte, wie verabredet, das Pferd schlecht. Vom Favoriten wurde es zweiter Favorit, vom zweiten Favoriten dritter und stieg dann hinab zur Klasse der 100:6.
    »Mir unbegreiflich«, sagte der Trainer einen Tag vor dem Rennen zu dem Besitzer. »Das Pferd war niemals besser, Mr. Braid.«
    Mr. Braid sog nachdenklich an einer langen Zigarre, seine dunklen Augen fixierten den verwitterten kleinen Trainer. Er war auf der Rennbahn zwar ein Neuling, wenigstens in England, aber angesehen, sehr reich und durchaus seriös. Rennfreunde besaß er nicht. Angesehene Leute vom Rennplatz betrachteten neugierig die schlanke Gestalt mit dem dunklen, ergrauenden Haar und dem langen, blassen Gesicht und drückten nicht aus Mitleid ein leichtes Bedauern darüber aus, daß eine so gewinnwinkende Chance in die Hände des Trainers Lingford und seines gewissenlosen Partners, des Jockeys Joe Brille, gefallen war.
    Anthony Braid hatte ein reizendes kleines Haus in Ascot, wo er während der Rennwoche wohnte, und war mit seiner Einsamkeit zufrieden. Man sah ihn auf dem Sattelplatz umherstehen, eine lange Zigarre zwischen den Zähnen, und ins Leere starren. Er wettete selten, und dann nur sehr bescheiden, und ließ sich nie über die Mutmaßungen seines Trainers in Debatten ein, noch stellte er Fragen an seinen Jockey. Anscheinend langweilte ihn alles.
    »Möglich«, murrte er, als der Trainer eine Pause machte, »möglich, daß die Buchmacher einen anderen Favoriten haben.«
    »Stimmt, Sir, sie halten ›Denford Boy‹ für unbesiegbar.«
    Mr. Lingford bedauerte im stillen, daß er »Ectis« nicht zum Sieg reiten lassen durfte. Er hätte ein Vermögen damit verdienen können. Doch er schuldete dem Buchmacher, der das Pferd stillegte, eine Menge Geld und wagte keinesfalls, seinem Gläubiger entgegenzuhandeln.
    Eine Stunde ehe der Königliche Jagdpokal gelaufen wurde, nahm Anthony Braid seinen Trainer beiseite. »Mein Pferd hat sich im Preis etwas erholt«, sagte er. Lingford war diese Tatsache nicht entgangen. »Ja, Sir - jemand hat im ganzen Land hohe Wetten auf die Stute abgeschlossen.«
    Ihm war ein bißchen unbehaglich zumute; denn am Morgen hatte sein Buchmacher ihm vorgeworfen, daß er nach zwei Seiten arbeite.
    »Ja«, sagte Tony Braid mit seiner tiefen, wohllautenden Stimme. »Ich habe im ganzen Land Wetten abgeschlossen. Ich beabsichtige, heute dreißigtausend Pfund zu gewinnen.«
    »Wirklich, Sir?« Der Trainer atmete erleichtert auf. Er hatte vermutet, die Wetten stammten von einem Bundesgenossen Brilles, und befürchtete schon, daß der Jockey ihn betrüge. »Nun, Sie werden ein schönes Rennen für Ihr Geld haben. Brille sagt -«
    »Was Brille sagt, interessiert mich nicht«, erwiderte der Besitzer sehr sanft, »er reitet die Stute nicht. — Ich habe mir einen Jockey aus Frankreich kommen lassen. Und, Mr. Lingford, ich habe auch meinen Trainer gewechselt. Vor einer halben Stunde habe ich höchst eigenhändig das Pferd Mr. Sanford übergeben. Und wenn Sie dem Tier noch einmal nahe kommen, melde ich Sie der Rennleitung. Darf ich Ihnen einen Rat geben?« Dem verdutzten Trainer blieb die Antwort in der Kehle stecken.
    »Zwei Tips«, fuhr Anthony Braid fort, »erstens: Gehen Sie in den Ring und setzen Sie so viel auf ›Ectis‹, daß Sie den Rest Ihres Lebens davon zehren können. Denn ich glaube nicht, daß Sie je wieder ein Pferd trainieren werden. Zweitens: Versuchen Sie nie
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