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069 - Ein gerissener Kerl

069 - Ein gerissener Kerl

Titel: 069 - Ein gerissener Kerl
Autoren: Edgar Wallace
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auch sein freies und fröhliches Lächeln dabei war nur ein gelinder Trost.
    »Quatsch, Braid«, sagte er, »Sie tun sich wohl schrecklich leid! Wenn ihr Burschen in den Fünfzigern euer Haar auch noch so verdächtig dunkel und eure Taillen Gott weiß wie schlank bewahrt, die Grämlichkeit platzt euch doch aus allen Nähten. Ich habe Sie zu Gesellschaften eingeladen, alter Junge, aber Sie saßen da wie ein Ölgötze!«
    Braid blieb ganz ruhig.
    »Ihre Gesellschaften haben mich gelangweilt«, sagte er obenhin, »und wenn ich mich langweile, werde ich nun mal grämlich. Ich habe Ihre Gesellschaften endgültig an meinem neununddreißigsten Geburtstag aufgegeben. Der war voriges Jahr. Und, offen gesagt, Ihre Freundinnen gefallen mir nicht. Da ziehe ich Ballettmädchen vor. Die tun wenigstens nicht, als ob sie was Besseres wären.«
    Julian Reef lachte zwar, aber nicht besonders herzlich.
    »Faucht euch nicht an«, schalt Ursula vorwurfsvoll.
    »Väterchen, lade Tony doch zum Lunch ein, und Tony, benehmen Sie sich anständig!«
    Lord Frensham fühlte sich offenbar sehr unbehaglich.
    »Ich kann Braid nicht zum Lunch einladen, weil ich in meinem Klub esse«, wich er aus. »Und jetzt, meine liebe Ursula —«
    Er hielt inne.
    »Ach so, ihr habt Geschäfte! Nur noch eins: Väterchen, du bist wieder nicht rasiert!« Sie nickte Tony zu und ging aus dem Zimmer.
    Mr. Julian Reef blickte von einem zum andern.
    »Ich störe wohl?« fragte er ahnungsvoll.
    Tony Braid antwortete: »Nein. Es betrifft Sie. Zeigen Sie ihm den Brief, Frensham, den ich Ihnen geschrieben habe.«
    »Ich denke nicht daran«, wehrte Frensham ab. »Ich habe Ihnen schon gesagt —«
    »Daß Sie keinen Skandal wünschen«, ergänzte Tony Braid ruhig. »Und ich versichere Ihnen: es wird keinen Skandal geben.«
    Er ging langsam zum Schreibtisch und tippte mit dem Zeigefinger auf die blankpolierte Platte, jedes Wort unterstreichend.
    »Bis vor sechs Monaten waren Sie und ich die besten Freunde. Ich bilde mir ein, ich habe Ihnen in manchem geholfen, auch verstehe ich von Börsengeschäften mehr als Sie. Ich sage das weder, um mich wichtig zu machen, noch als Vorwurf. Sie haben mir Ihr Haus geöffnet und mir gestattet, mich Ursula zu nähern. Und dann schicken Sie mir plötzlich einen Brief, verbitten sich meine Besuche und verbieten mir, Ihrer Tochter Aufmerksamkeiten zu erweisen. Heute morgen haben Sie plötzlich entdeckt, daß City-Gauner und Rennbahnabenteurer mich einen gerissenen Kerl‹ nennen — eine Tatsache, die Sie seit Jahren kennen! Sie werfen mir vor, daß ich den Kurs Ihrer Aktien hinuntertreibe, indem ich Lulangas hinter Ihrem Rücken verkaufe. Ich begegnete dieser Beschuldigung mit dem kategorischen Hinweis, daß der Mann, der Lulanga-Öl-Aktien verkauft und Sie an den Rand des Verderbens gebracht hat, Ihr Neffe, Mr. Julian Reef, ist, der aus irgendeinem Grund — offenbar einem höchst egoistischen — seit drei Wochen laufend Lulangas verkauft.«
    Julian Reefs Gesicht war plötzlich wutentstellt. Er packte Braid an der Schulter und schwenkte ihn zu sich herum.
    »Sie sind ein verfluchter Lügner!« schnaubte er.
    Im nächsten Augenblick lag er auf der Erde. Im Sturz hatte er einen Stuhl mitgerissen.
    »Halt, Braid!« Frensham war aufgesprungen und zwischen die beiden Männer getreten.
    Braid nahm seinen Hut und strich sorgsam glättend über dessen Rand. Ein kleines Lächeln spielte in den Winkeln seines Mundes.
    »Ich muß mich bei Ihnen entschuldigen, Frensham«, sagte er. »Aber noch kein Mann hat mich ungestraft ins Gesicht einen Lügner genannt. Übrigens verwaltet Mr. Reef, soviel ich weiß, gewisse Gelder Ihrer Tochter Ursula. Ich erlaube mir, Ihnen zu raten, durch einen Ihrer Buchhalter dieses Vermögen nachprüfen zu lassen. Selbst gelbe Diamanten kosten allerhand Geld.«
    Ohne übertriebene Eile griff er nach Handschuhen und Stock. Reef war inzwischen wieder auf die Füße gekommen, hielt sich den getroffenen Unterkiefer, blickte Braid mit tödlichem Haß an, wagte aber nicht, ihn aufzuhalten.

2
    Nach Tony Braids Abschied lastete über dem Zimmer ein langes, besonders für den einen der beiden Männer sehr peinliches Schweigen. Frensham stand am Tisch, die Augen müde auf die Schreibmappe geheftet, und spielte zerstreut mit dem Brieföffner. Er war ein armer Mann. Sein Ausflug in die City war in gewissem Sinn ein Akt der Verzweiflung gewesen. Einem Mann seines Namens boten sich Präsidentenstellen in Hülle und Fülle. Zuerst hatte er
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