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069 - Ein gerissener Kerl

069 - Ein gerissener Kerl

Titel: 069 - Ein gerissener Kerl
Autoren: Edgar Wallace
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Stimme und einem entwaffnenden Lächeln. »Wie geht es Ihnen, Frensham - und Lady Ursula?«
    Lord Frensham war nicht in der Stimmung, sich über das Wetter oder seine Tochter zu unterhalten.
    »Ich habe Ihren Brief erhalten«, erwiderte er grob, »und offen gesagt, halte ich ihn für eine — eine —«
    »Unverschämtheit«, fiel Braid mit geheimnisvollem Lächeln in den Augen helfend ein.
    »Sehr richtig«, stimmte Frensham heftig zu, »wenn nicht Schlimmeres. Was Sie mir da mitteilen, ist im Grunde nichts anderes, als daß Julian Reef, der nicht nur mein Neffe, sondern auch mein Mitdirektor ist, den Kurs der Lulanga-Öl-Aktien hinuntertreibt, d. h., daß er sich bemüht, mich zu ruinieren. Ich muß Ihnen schon sagen, Braid, ich war nicht wenig erstaunt, daß Sie eine so unerhörte Anschuldigung schriftlich niederlegen. Natürlich werde ich Reef Ihren Brief nicht zeigen, sonst —«
    Braids dunkle Augen flammten auf. »Warum wollen Sie ihm den Brief nicht zeigen?« fragte er sanft. »Ich habe nicht die geringste Angst vor einer Verleumdungsklage. Ich besitze etwa sechshunderttausend Pfund — vielleicht etwas mehr. Kein Gericht hat jemals solchen Schadenersatz zugesprochen. Ich werde immer noch genug zum Leben übrigbehalten.«
    Frensham blickte finster zu ihm auf. »Das mag sein«, sagte er, »aber ich lege keinen Wert darauf, diese Dinge an die große Glocke zu hängen. Ich will ganz offen mit Ihnen reden, Braid. Jemand treibt den Kurs dieser Aktien hinunter. Die Kurse fallen täglich — und dieser Jemand sind Sie! Lassen Sie mich, bitte, ausreden! Sie haben einen gewissen Ruf — einen Spitznamen —«
    »Der gerissene Kerl«, lachte Braid, »ich bin stolz darauf. Gauner nennen mich so, weil es ihnen nicht gelingt, mich reinzulegen. Und mein lieber Freund Reef hat sich, weiß Gott, Mühe genug gegeben, mich hineinzulegen!«
    »Sie sind Rennstallbesitzer mit einem eigenartigen Ruf —«
    Wieder unterbrach ihn der Mann mit den dunklen Augen.
    »Sagen Sie doch ›üblen‹, wenn es Ihnen Spaß macht. Es ist zwar nicht ganz wahr, aber es macht die Dinge für Sie leichter, mein lieber Frensham. Also sagen Sie ruhig ›mit einem üblen Ruf‹ oder darf ich Ihnen zur Abwechslung ›einen gefährlichen Ruf‹ vorschlagen?«
    Lord Frensham machte eine nervöse Bewegung.
    »Vielleicht sind Sie besser als Ihr Ruf, aber Sie haben ihn nun einmal. Sie sind für weit mehr Leute ›der gerissene Kerl‹ als Mr. Tony Braid. Und darum können Sie von mir wirklich nicht erwarten, daß ich Ihnen glaube, mein bester Freund arbeite an meinem Ruin und betrüge mich und die Gesellschaft.«
    ›Der gerissene Kerl‹ lächelte, entnahm seiner Tasche ein goldenes Zigarettenetui, bat mit einem Blick um Erlaubnis, zündete sich umständlich die Zigarette an und legte das Streichholz sorgsam in eine Aschenschale.
    »Leuchtet es Ihnen nicht ein, daß es ziemlich naiv wäre, Ihren Freund zu beschuldigen, wenn ich selbst den Kurs Ihrer Aktien hinuntergetrieben hätte; der gerissene Kerl würde eine so törichte Anklage gegen einen Mann Ihres Vertrauens erheben? Trauen Sie mir doch wenigstens ein bißchen Intelligenz zu und —«
    Plötzlich öffnete sich die Tür. Eine Dame und ein Herr traten ein. Beim Anblick des Mädchens erhob sich der elegante Mr. Braid. Die blonde, kraftvolle Schönheit Ursula Frenshams raubte ihm den Atem, sooft er sie sah. Sie kam auf ihn zu und streckte ihm, Überraschung und jähe Freude in den Augen, die Hand entgegen.
    »Tony, Sie sind ein schlechter Mensch!« rief sie. »Sie haben sich seit Monaten nicht bei uns sehen lassen.«
    Ihres Vaters Mißbilligung konnte sie nicht bemerken, aber sie hätte vielleicht ahnen können, daß der lächelnde junge Mann, der ihr folgte, nicht mehr lächelte.
    »Ich bin nicht gekommen, weil man mich nicht eingeladen hat«, erklärte Tony Braid mit dem kleinen, drolligen Lachen, das ihm eigen war. »Keiner liebt mich, Ursula, ich bin verfemt auf der weiten Erde.«
    »Reden Sie nicht so närrisches Zeug«, wies ihn Frensham zurecht.
    Mr. Reef schüttelte das starre Erstaunen über den unerwarteten Anblick des verhaßten Mannes ab und lächelte wieder. Er lächelte immer, dieser Mann mit dem roten Gesicht, dem dichten, rötlichbraunen Haar und den herrlichen weißen Zähnen. Er sah merkwürdig jung aus, trotz seiner dreißig Jahre, und hatte eine jungenhafte Art, mit verletzender Offenheit Wahrheiten von sich zu geben. Freilich waren es Wahrheiten, die wie Peitschenhiebe saßen, und
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