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Schwiegertöchter (German Edition)

Schwiegertöchter (German Edition)

Titel: Schwiegertöchter (German Edition)
Autoren: Joanna Trollope
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wäre so schön, wenn sie jetzt alle in Suffolk wären.
    Die Kirche daheim wäre perfekt gewesen. Anthony war nicht streng gläubig, aber er mochte den Anblick und die Atmosphäre von Kirchen, die würdevollen und gleichzeitig absurden Rituale, die verhaltene Anteilnahme in den englisch-anglikanischen Kirchengemeinden. Seine eigene Dorfkirche kannte er schon von klein auf; sie war so alt wie der Rabbi in Brownings Gedicht, wenn auch nicht mehr in ihrem ursprünglichen Zustand, aber sie war groß und hell und einladend mit klaren Glasfenstern. Eine herrliche kleine, moderne Bronzeskulptur von Noah, der die Taube freilässt, erinnerte an die Uraufführung von Benjamin Brittens Kirchenparabel »Noahs Sintflut«, die 1958 dort stattgefunden hatte. Damals war Anthony elf Jahre alt gewesen. Schon lange bevor die Küste von Suffolk zur musikalischen Pilgerstätte geworden war, hatte er dort sämtliche Kirchenopern gehört, bekleidet mit der grauen Flanellhose und der Krawatte der Schuluniform als Zeichen seines Respekts für die Musik und den Komponisten. An diesem Ort hatte er zum ersten Mal »Fluss der Möwen« gehört, das immer sein Lieblingsstück geblieben war, lange bevor Vögel seine Leidenschaft wurden, lange bevor er es wagte, Zeichnen zu seinem Lebensinhalt zu machen. Es war das Gebäude, in dem er sich zum ersten Mal der allumfassenden Bedeutung von Kreativität bewusst geworden war, und deshalb war es doch verständlich, wenn er sich wünschte, dass auch seine Söhne die großen Übergangsriten des Lebens dort feiern würden. Oder nicht?
    Alle drei waren dort getauft worden, Edward und Ralph und Luke. Anthony hätte vielleicht irgendeine schlichte humanistische Namensfeier vorgezogen, aber Rachel wollte, dass sie in dieser Kirche über dem schönen alten Taufbecken christlich getauft wurden, und sie wollte es ziemlich entschieden.
    »Sie müssen schließlich keine Christen bleiben«, hatte sie über die Schulter hinweg zu Anthony gesagt, weil sie wie üblich mit irgendetwas beschäftigt war. »Aber zumindest haben sie die Option. Die hattest du immerhin auch. Warum sollten deine Kinder sie nicht haben?«
    Es waren natürlich wunderschöne und bewegende Feiern gewesen, und mit jeder Taufe war Anthonys Verbundenheitsgefühl mit dem Kirchengebäude tiefer geworden. Und zwar so tief, dass er selbstverständlich davon ausgegangen war, seine Söhne würden in dieser Kirche heiraten, falls sie heiraten würden, und er war sehr bestürzt, als sein Ältester, Edward, mit einer eleganten und entschlossenen jungen Schwedin auftauchte und verkündete, dass sie heiraten wollten, aber natürlich in ihrer Heimat, nicht in seiner.
    Edwards Verlobte war eine Forschungslaborantin, die Materialanalysen für Museen und Galerien machte, und sie war genau instruiert worden. Sie nahm Anthony zur Seite und richtete ihre erstaunlich hellblauen Augen auf ihn. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen«, sagte Sigrid in ihrem perfekten Englisch. »Es wird eine humanistische Feier. Sie werden sich bestimmt sehr wohl fühlen.«
    Die Hochzeit von Edward und Sigrid hatte im Sommerhaus ihrer Eltern auf einer der namenlosen kleinen Inseln vor Stockholm stattgefunden, und anschließend hatten sie Langusten gegessen und dabei riesige Papierlätze getragen, Berge von Langusten, und Aquavit war wie ein verhängnisvoller Strom geflossen, und es war überhaupt nicht dunkel geworden. Anthony erinnerte sich noch, wie er auf der Suche nach Rachel in dem seltsam glühenden Nachtlicht am steinigen Ufer entlanggestolpert war, wobei ihn eine platinblonde Raubkatze mit randloser Brille und Turnschuhen verfolgt hatte.
    Am Morgen nach der Hochzeit war Sigrid taufrisch und wie aus dem Ei gepellt in Weiß und Grau erschienen, das glatte Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, war mit Edward in ein Boot gestiegen und mit ihm verschwunden. Anthony und Rachel waren mit Sigrids Familie und Freunden zurückgeblieben, wie ausgesetzt unter einem wolkenlosen Himmel und umschlossen von Wasser. Sie hatten sich auf dem Heimflug an den Händen gefasst, erinnerte sich Anthony, und Rachel hatte mit Blick aus dem Flugzeugfenster gesagt: »Manche Situationen sind so fremdartig, dass man gar nicht darauf reagieren kann, oder?«
    Als Anthony etwas später fragte: »Glaubst du, sie sind jetzt richtig verheiratet?«, fixierte sie ihn mit starrem Blick und sagte: »Ich habe keine Ahnung.«
    Nun, das war jetzt über zehn Jahre her, beinahe elf. Und dort auf dem Teppich unterhalb der
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