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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir
Autoren: Karen Sander
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sehen doch, wohin das geführt hat», gab Krämer zurück.
    Stadler verlor allmählich die Geduld. Es hatte den Anschein, als sei der gewaltsame Tod seiner Frau für Krämer lediglich ein lästiger Zwischenfall, so wie ein verspäteter Flug oder eine Reifenpanne. Entweder war er mit der Situation emotional überfordert, oder er empfand tatsächlich nichts. «Es gibt im Augenblick keinen Hinweis darauf, dass es einer ihrer Klienten war.»
    «Da kann ich Ihnen auch nicht helfen.» Krämer verschränkte die Arme.
    Stadler tat, als schaue er etwas in der Akte nach, bevor er die nächste Frage stellte. «Ich nehme an, Sie wussten von der Operation, der sich Ihre Frau vor acht Jahren unterzogen hat?»
    «Operation? Was meinen Sie?» Krämer wirkte ehrlich ahnungslos. «Sie hatte eine Unterleibsoperation, bevor wir zusammengekommen sind. Kann sein, dass das acht Jahre her ist. Wir sind erst seit fünf Jahren verheiratet.»
    «Wie haben Sie sich kennengelernt?»
    Oswald Krämer schlug mit der Hand auf den Tisch. «Jetzt reicht es aber! Was hat das denn mit dem Tod meiner Frau zu tun?»
    «Das wissen wir nicht», gab Stadler ehrlich zu. «Aber wir müssen uns ein so genaues Bild wie möglich von ihr und ihrem Umfeld machen.» Er zog ein Blatt aus der Akte. «Das hier haben wir in den Unterlagen Ihrer Frau gefunden. Sie haben sich über eine Agentur im Internet kennengelernt, ist das richtig? Eine Firma, die speziell Kunden mit gehobenen Ansprüchen bedient.»
    «Und? Geht Sie das was an?»
    «Sie haben eine kultivierte, finanziell unabhängige Frau gesucht, die Sie nicht zu sehr vereinnahmt. Stimmt das?»
    «Worauf wollen Sie hinaus? Halten Sie mich für einen Heiratsschwindler? Ich bin selbst vermögend. Ich wollte lediglich eine Partnerin, die mich bei gesellschaftlichen Anlässen begleitet, die mit mir ins Theater geht, die da ist, wenn ich von einer mehrmonatigen Reise aus Südamerika zurückkehre. Das ist ja wohl nicht verboten, oder?»
    «Dann komme ich noch einmal auf meine Frage zurück: Wussten Sie von der Operation?»
    «Was für eine Operation, verdammt?»
    Stadler ließ den Archäologen nicht aus den Augen, während er antwortete. «Ihre Frau wurde am 25 . März 1971 geboren, als Franz Talmeier.»
    Oswald Krämer starrte ihn fassungslos an, doch er sagte nichts.
    Stadler fuhr fort. «Vor acht Jahren unterzog sich Franz Talmeier einer Geschlechtsumwandlung. Seither lebte er offiziell als Leonore Talmeier.»
    «Blödsinn!», brüllte Krämer. «Das ist totaler Blödsinn, Sie wollen mich verarschen! Was soll der Scheiß?»
    «Sie wussten also nichts davon?»
    «Natürlich nicht, weil es nicht stimmt.» Krämers braungebranntes Gesicht war rot angelaufen. «Wer hat Ihnen denn diesen Mist erzählt?»
    Stadler räusperte sich. «Wir haben die entsprechenden Papiere ebenfalls bei den Unterlagen Ihrer Frau gefunden. Und der Rechtsmediziner hat es bestätigt.» Er sah Krämer scharf an. «Der Mörder muss es ebenfalls gewusst haben.»
    Krämer kniff die Augen zusammen. «Wie kommen Sie darauf?»
    Stadler warf Birgit einen Blick zu. Normalerweise verschonten sie Angehörige mit grausigen Details, doch sie nickte kaum merklich.
    «Sie können es ruhig sagen», beharrte Krämer. «Ich musste mir in den letzten Minuten so viele Ungeheuerlichkeiten anhören, Sie können mich nicht mehr schocken.»
    Stadler holte Luft. «Der Täter hat Ihrer Frau den Unterleib aufgeschlitzt und darin herumgewühlt, so als hätte er etwas gesucht. Doch anstatt etwas zu entnehmen, tat er etwas hinein: eine winzige nackte Puppe. Sie steckte dort, wo sich bei anderen Frauen die Gebärmutter befindet. Es war fast so, als hätte er aus Leonore Talmeier eine richtige Frau machen wollen.»

Freitag, 18. Oktober, 9:30 Uhr
    Es regnete in Strömen, als Liz aus dem Haus trat. Sie überlegte einen Moment, ob sie wieder hineingehen sollte. Ihr Vorhaben war ohnehin unsinnig, doch dann rannte sie kurzentschlossen über die Straße zu ihrem Auto. Immerhin lag irgendwo im Kofferraum ein Schirm, sodass sie nicht tropfnass im Büro eintreffen würde. Zwanzig Minuten später fuhr sie in die Parkhauseinfahrt, die unter dem Gebäude der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät lag. Sie fand eine Lücke, fischte ihren Schirm aus dem Kofferraum und ging auf das nächstgelegene Treppenhaus zu. Das Parkhaus war menschenleer. Sie war kein ängstlicher Typ, doch ihre Beschäftigung mit Serienkillern hatte ihr bewusstgemacht, dass es Orte gab, die für Frauen besonders
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