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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir
Autoren: Karen Sander
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ihr Ruf als Wissenschaftlerin nicht völlig den Bach hinunterging.
    Liz stieß die Bürotür auf und grüßte Ruben, der nur kurz von seinem Bildschirm aufblickte.
    «Hallo, Frau Doktor Montario. Sie haben zwei Briefe und eine Telefonnachricht. Liegt alles da drüben.» Er deutete auf den Schreibtisch, den Liz und ihre Kollegen im Wechsel nutzten.
    Ruben Keller war Hilfskraft im Institut, ein großer, schlaksiger Junge mit schwarz gerahmter Brille und Strubbelfrisur. Einer, der immer ein wenig übereifrig wirkte, von dem Liz jedoch annahm, dass ihm alles, was an der Uni geschah, letztlich gleichgültig war. Sein wahres Leben verbrachte er in diversen Foren im Netz, seine Freunde waren über die ganze Welt verteilt, auch wenn er sie nur virtuell kannte. Vielleicht mochte sie ihn gerade deswegen, denn er war einer der wenigen Menschen, der sie genauso desinteressiert wie jeden anderen behandelte und nicht mit dieser Mischung aus Ehrfurcht und Argwohn, die ihr sonst so häufig entgegengebracht wurde.
    «Danke, Ruben.» Sie trat an den Schreibtisch, griff nach den zwei Umschlägen. An dem oberen klebte ein gelber Haftzettel.
Kriminalhauptkommissar Georg Stadler bittet um Rückruf
, stand darauf, gefolgt von einer Telefonnummer.
    «Was will dieser Kommissar?», fragte Liz betont beiläufig. Das Wort
Kriminalhauptkommissar
flimmerte vor ihren Augen. Die Polizei hatte in den letzten Monaten ihretwegen eine Menge Spott und Schelte über sich ergehen lassen müssen, viele Beamte reagierten allergisch auf ihren Namen. Einige hatten sie sogar am Telefon beschimpft. Doch das war nicht der Grund, weshalb ihr Magen sich zusammenkrampfte.
    «Hat er nicht gesagt», antwortete Ruben, ohne sie anzusehen.
    Liz betrachtete die Umschläge. Der erste war von der Universitätsverwaltung, der zweite ließ ihren Herzschlag kurz aussetzen.
Dr. Elisabeth Montario
, war mit Schreibmaschine darauf getippt. Schreibmaschine, keine Computerschrift im Schreibmaschinenlook. Vor etwa einer Woche hatte sie genau so einen Umschlag bekommen, und der Inhalt hatte ihr für einen Augenblick den Atem geraubt. Dennoch hatte sie ihn schon fast wieder vergessen. Der Absender schien das geahnt zu haben und deshalb ihr Gedächtnis auffrischen zu wollen. Sie riss den Umschlag auf und entnahm das einzelne Blatt. Die Nachricht war kurz und ebenfalls mit der Schreibmaschine getippt:
Finde mich, bevor ich dich finde.
    Liz ließ die Worte sacken. Fraglos eine Eskalation. Die erste Nachricht hatte schlicht gelautet:
Finde mich.
    «Etwas nicht in Ordnung?» Ruben sah sie neugierig an.
    «Alles bestens.» Sie schnappte sich ihre Lammfelljacke und verließ das Büro. Auf dem Weg zum Wagen blies ihr der Wind gelbes Herbstlaub vor die Füße, Wolken stoben über den schmutzig grauen Himmel. Sie versuchte, an nichts zu denken, doch der anonyme Briefschreiber ging ihr nicht aus dem Sinn. Er war bei weitem nicht der erste Verrückte, der auf diese Weise Kontakt zu ihr aufnahm. Sie war eine Berühmtheit, eine Art Pop-Profilerin, und es gab eine Menge Spinner, die versuchten, sie zu merkwürdigen Spielchen herauszufordern oder schlicht zu testen, auf was sie so alles hereinfiel. Doch bei diesem Briefschreiber war es anders. Das spürte sie. Diese Worte konnten kein Zufall sein. Auch wenn sie keine Erklärung dafür hatte und nicht die geringste Ahnung, was der Unbekannte von ihr wollte. Sie wusste nur, dass sie ihn ernst nehmen sollte. Und das war mehr als reines Bauchgefühl.
    Liz sperrte den Wagen auf, setzte sich hinter das Steuer und schloss für einen Augenblick die Augen. Dann zog sie das Handy aus der Tasche und tippte die Nummer des Kommissars ein.

Donnerstag, 17. Oktober, 16:26 Uhr
    Georg Stadler steckte sein Handy zurück in die Tasche und trat wieder zu seiner Kollegin Birgit Clarenberg.
    «Irgendetwas Neues?», fragte sie und sah ihn an.
    «Nein. War privat.» Er hasste es, sie zu belügen, doch er wollte sie da nicht mit hineinziehen. «Ist die Maschine inzwischen gelandet?»
    «Vor ein paar Minuten. Hoffentlich dauert es nicht mehr lange. Ich hasse diese Warterei.»
    Sie standen im Ankunftsbereich des Flughafens und warteten auf Oswald Krämer, den Ehemann des Opfers. Leonore Talmeier war seit zehn Tagen tot, doch erst jetzt kehrte der Archäologe aus Peru zurück, wo er eine Ausgrabung leitete.
    «Das muss er sein.» Birgit zeigte auf einen hochgewachsenen blonden Mann mit braungebrannter Haut, der eine Umhängetasche über der Schulter trug. «Hat wohl nur
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