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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir
Autoren: Karen Sander
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wollte er beruflich etwas von ihr. Also fiel sie in die Kategorie Kollegin. Regel war Regel.
    Stadler ging in die Küche, fischte eine Flasche Alt aus dem Kühlschrank, öffnete sie und nahm einen großen Schluck. Er stellte sich ans Fenster und überlegte, welche Strategie er bei Frau Dr. Montario anwenden sollte. Die Bewunderungsmasche, die Unter-Kollegen-hilft-man-sich-Tour? Oder sollte er an ihr Mitgefühl appellieren? Er trank das Bier leer und stellte die Flasche weg. Er würde spontan entscheiden, wenn er die Frau vor sich hatte.
    Zehn Minuten später suchte er einen Parkplatz in den vollgestopften Wohnstraßen von Oberkassel. Er fragte sich, warum sie sich ausgerechnet hier mit ihm hatte treffen wollen. Sie wohnte nicht in der Nähe, sondern im Süden der Stadt. Sollte das eine kleine Demonstration ihrer Fähigkeiten sein? Wollte sie zeigen, dass sie wusste, weshalb er mit ihr sprechen wollte? Gerade als er aufgeben und vor einer Einfahrt parken wollte, löste sich vor ihm ein Geländewagen vom Straßenrand. Er lenkte den Mustang in die Lücke und stellte den Motor ab. Mit langen Schritten lief er auf die Gaststätte zu, in der er mit Dr. Elisabeth Montario verabredet war.
    Er sah sie sofort. In natura wirkte sie viel jünger als auf dem schlecht belichteten Schwarzweißfoto, das er auf der Verlagshomepage gesehen hatte. Fast wie ein junges Mädchen. Dabei musste sie über dreißig sein. Lange rote Locken, von einem Gummi nur notdürftige zusammengehalten, leuchtend grüne Augen, ein enges schwarzes Kleid, das mehr zeigte, als es verhüllte. Stadler hielt für einen Augenblick den Atem an, dann trat er auf sie zu.
    «Frau Dr. Montario?»
    Sie wandte den Blick vom Fenster ab und sah ihn an. «Herr Stadler?»
    «Ja.» Er streckte die Hand aus. «Es freut mich, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit mir zu sprechen.»
    Sie antwortete nicht, erwiderte stumm seinen Händedruck. Etwas an ihrem Blick beunruhigte ihn. Das intensive Grün ihrer Augen, die fast schon unhöfliche Eindringlichkeit, mit der sie ihn musterte, vielleicht auch einfach das Wissen, dass sie Psychologin war und vermutlich alles Mögliche an seiner äußeren Erscheinung ablas.
    Sie hatte ein Glas Weißwein vor sich stehen. Nach kurzem Zögern bestellte er ein Bier. Als das Glas vor ihm stand, brach er das Schweigen. «Ich weiß nicht, ob Sie ahnen, worum es geht …»
    Ein kaum wahrnehmbares Lächeln umspielte ihre Lippen. «Sagen Sie es mir doch einfach.»
    «Also gut.» Er stützte die Ellbogen auf den Tisch, fest entschlossen, sich nicht weiter von ihrer irritierenden Gelassenheit aus dem Konzept bringen zu lassen. Sollte sie doch die Unnahbare spielen, er hatte schon ganz andere Frauen geknackt. Abgesehen davon war sein Interesse rein beruflich. Es gab also keinen Grund, nervös zu sein. «Sie haben vielleicht in der Zeitung davon gelesen: Vor zehn Tagen wurde eine Frau ermordet, übrigens hier ganz in der Nähe, in der Dominikanerstraße. Der Täter ist in ihre Wohnung eingedrungen und hat ihr die Kehle aufgeschlitzt. Während sie verblutete, stach er zweiunddreißigmal auf ihren Oberkörper ein. Zum Schluss schlitzte er ihr den Unterleib auf und manipulierte ihre Bauchhöhle.» Er hielt inne, sah sie an.
    «Ich habe davon in der Zeitung gelesen», sagte Elisabeth Montario. «Allerdings fehlten die Details. Soweit ich mich erinnere, hieß es einfach, die Frau sei erstochen worden.»
    «Das ist richtig. Aus ermittlungstechnischen Gründen haben wir die Einzelheiten vor der Presse zurückgehalten.»
    «Aha. Und was genau wollen Sie von mir?»
    Stadler holte tief Luft. «Es gibt einen zweiten Mord.»
    Dr. Montarios Augen weiteten sich. «Der Täter hat ein zweites Mal getötet? Nach zehn Tagen?»
    Er schüttelte den Kopf. «Nein. Zwischen den beiden Taten liegt etwa ein halbes Jahr.»
    Sie runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts.
    Er fuhr fort. «Am 8 . April wurde in der Nähe des Hauptbahnhofs eine Leiche gefunden. Ein Transvestit, der in der Gegend auf den Strich ging. Als er gefunden wurde, in einem Gebüsch in der Nähe einer Unterführung, war er nackt. Der Täter hatte ihm die Halsschlagader durchtrennt und mehrfach auf ihn eingestochen. Danach hat er seinem Opfer den Bauch aufgeschlitzt und ihn verstümmelt.»
    «Verstümmelt?»
    «Er entfernte die Geschlechtsteile. Sie sind bis heute verschwunden.»
    Montario wirkte nicht schockiert, eher konzentriert. «Und Sie gehen davon aus, dass es derselbe Täter war?»
    «Es gibt eine weitere
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