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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise
Autoren: Berte Bratt
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kleiner Trotzkopf. Wenn ich das nächste Mal wieder ins Ausland fahre, wird es hoffentlich unsere Hochzeitsreise sein.“
    Eirin legte versonnen den Hörer auf. Eigentlich gut, daß Fredrik wegfuhr. Sie brauchte jetzt Ruhe, um sich auf das Examen vorzubereiten. In einigen Monaten war es soweit.
    Eirin stürzte sich in die Arbeit. Zur Entspannung unternahm sie in der Freizeit kleine Ausflüge und Kinobesuche mit den Kolleginnen, besuchte ab und zu Frau Lindberg oder ging mit Stoffer Gard ins Theater.
    Es kam nicht mehr so häufig vor, aber da er immer so bettelte und bat, gab sie nach. Sie saß ihm dann den ganzen Abend gegenüber und lachte gutmütig über seine tragikomischen Liebeserklärungen. Er wußte, daß sie sich nichts aus ihm machte, daher der Galgenhumor, der seiner Werbung anhaftete und der Eirin zugleich amüsierte und rührte.
    „Für dich bin ich sicher nur ein interessanter Fall“, klagte er eines Tages.
    „Wieso interessant, Stoff er?“
    „Nicht einmal interessant?“ Er stöhnte auf und verzog schmollend das Gesicht. „Also nur ein ganz gewöhnlicher, uninteressanter Fall, von der Sorte, von der vierzehn aufs Dutzend gehen?“
    „Achtzehn, Stoffer!“
    „Nur ein durchschnittlicher, todlangweiliger Fall von Rabies amoris oder so was ähnliches?“
    „Ja, ein Fall, der durch einen ganz simplen Eingriff, sogar ohne Betäubung, geheilt werden kann!“
    „Ach, Lise. Du bist grausam. Gönnst du mir nicht einmal eine Narkose, und wenn sie auch noch so klein ist?“
    „Keine Rede davon. Nur eine winzig kleine Lokalanästhesie.“
    „Lokal - du - kannst du vielleicht das Geschwür lokalisieren?“ „Ach, es wird wohl da sitzen, wo andere Leute ihr Herz haben -übrigens, Stoffer, dieser Foxtrott ist doch dein Lieblingstanz, ob wir den nicht tanzen wollen, bevor du an - ja, wie nanntest du es doch gleich? -, an Rabies amoris stirbst?“
    Die Abende mit Stoffer waren nicht übermäßig anstrengend, aber besonders inhaltsreich waren sie auch nicht gerade. Sie sprachen über das Krankenhaus und viel über seine hoffnungslose Liebe - und ab und zu kamen sie auf Fredrik zu sprechen. Eirin hörte regelmäßig von ihm. Kleine eifrige Briefchen mit vielen schönen Worten oder Ansichtskarten aus Paris und Umgebung.
    Eirin seufzte. „Wenn ich doch bloß ein kleines Fünkchen Liebe für Fredrik empfinden könnte, wieviel einfacher wäre dann alles.“ Der strahlende Frühlingstag kam, an dem auch die Schülerinnen von Eirins Jahrgang Schwesternhaube und Nadel erhielten, das Zeichen dafür, daß sie nun fertige, voll ausgebildete Krankenschwestern waren. Die Augen der jungen Mädchen leuchteten. Ihre verarbeiteten Hände zitterten vor Freude, als sie die Diplome in Empfang nahmen.
    Viele von ihnen wußten an diesem Tage nur, daß sie drei wichtige Jahre ihres Lebens hinter sich gebracht hatten; sie ahnten nicht, was die Zukunft ihnen bringen würde. Andere waren verlobt und wollten heiraten. Nur wenige hatten sich eine Stelle als Pflegerin in einem gutsituierten Hause sichern können. Einige wollten ins Ausland. Um eine feste Anstellung war es schlecht bestellt.
    Unter den wenigen Glücklichen war Eirin. Das hatte sie dem getreuen Stoff er Gard zu verdanken:
    Oberarzt Dr. Brattholm, Halfdans früherer Vorgesetzter und großes Vorbild, hatte sich soeben eine hochmoderne Privatklinik eingerichtet. Brattholm war ein hervorragender Chirurg und obendrein ein ziemlicher Brummelbär. Er war mit den Arbeitsmöglichkeiten in den Provinzkrankenhäusern und auch in den städtischen Kliniken unzufrieden: „Sie sind zu groß“, sagte er. „Wir haben weder Zeit noch Gelegenheit, uns wirklich um jeden einzelnen Fall zu kümmern.“
    Brattholm war wirtschaftlich so gestellt, daß er seine Pläne verwirklichen und dem größten seiner Wünsche nachgeben konnte: Er hatte ein großes, schönes, geräumiges Haus am Rande der Stadt erworben und einen sehr tüchtigen Architekten beauftragt, es zu einer Art Idealklinik umzubauen. Die Krankenzimmer waren klein, hell und freundlich, nicht mehr als zwei Betten in einem Raum. Die Beratungs- und Behandlungsräume hatten gutes Licht und eine praktische Lage. Der Küchenanlage waren Wasch- und Spülraum angeschlossen.
    Das Prunkstück des Hauses war der Operationssaal. Hier hatte Brattholm selbst jede Einzelheit bestimmt mit dem Ergebnis, daß er auch die letzte technische Errungenschaft und den raffiniertesten Komfort aufwies, den sich jeder Chirurg nur in seinen kühnsten Träumen
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