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Schwester Lise

Schwester Lise

Titel: Schwester Lise
Autoren: Berte Bratt
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Bertha selbst aufzusetzen und abzuschicken. Es war nicht gerade in korrektem Telegrammstil gehalten, aber es lautete jedenfalls so, daß Tante Bertha ins Sprechzimmer stürzte und Schwester Vera jubelnd umarmte.
    „Liebe Tante Bertha - stop - Du mußt Deinen natürlichen Widerwillen gegen Flugzeuge überwinden - stop - wenn Du noch rechtzeitig zu Halfdans und meiner Hochzeit kommen willst - stop -liebe Grüße Deine glückliche Eirin.“
    Sie waren in Fredriks Haus zu Gast: Eirin, Halfdan, Stoff er Gard, Schwester Ilse und Schwester Doris. Es ging lustig zu. Stoffer erklärte jedem, der es hören wollte, Eirin hätte besser getan, ihn zu wählen. Gleichzeitig aber schien er sich lebhaft und mit unverhohlener Begeisterung für Schwester Ilse zu interessieren. Halfdan amüsierte sich über Stoffer. Was er da alles schwatzte in seiner entwaffnenden jungenhaften, treuherzigen Art, konnte man ihm nicht übelnehmen.
    Fredrik war merkwürdig still. Als aufmerksamer, vollendeter Gastgeber achtete er sorgsam darauf, daß Tassen und Gläser gefüllt wurden.
    Es blieb nicht aus, daß sie auf Halfdans und Eirins Zukunftspläne zu sprechen kamen, was mit Frostviken werden würde und ob es gelänge, einen Vertreter zu finden.
    Fredrik stellte einige Fragen, verstummte dann aber wieder.
    Im Laufe des Abends richtete er es so ein, daß Stoffer, Ilse und Doris sich im Nebenzimmer um das Radio setzten und er mit Halfdan und Eirin allein zurückblieb.
    „Wenn ich dir damit einen Gefallen tun kann, Halfdan, dann übernehme ich gerne die Vertretung für dich da oben. Wenn du meinst, daß ich dazu zu brauchen bin.“
    „Du, Fredrik? Du willst nach Frostviken gehen?“
    Halfdan war überrascht. Aber Eirin hatte etwas in Fredriks Augen gelesen, etwas, daß nur sie verstand.
    „Das ist famos von dir, Fredrik“, sagte sie warm. „Du tust uns einen sehr großen Gefallen damit!“
    „Das ist ja nett“, sagte Fredrik. Er lächelte. „Wohlsein, ihr beiden! Wohlsein, Halfdan! Du bekommst die Frau aller Frauen! Zum Wohl, Lise - du bekommst einen Mann, auf den du stolz sein kannst.“
    Seine Augen hingen an den ihren, während sie sich zutranken. Und Eirin wußte, wie sie diesen Blick zu deuten hatte:
    Ich habe etwas gutzumachen, sagte dieser Blick, ich will es wenigstens versuchen.
    Eigentlich hatten Halfdan und Eirin gar nicht die Absicht, eine Hochzeit zu veranstalten. Aber wie das so ging: Sie kannten beide eine Anzahl Menschen, die sie gern eingeladen hätten. Und ehe sie sich’s versahen, hatten sie Räumlichkeiten im „Bristol“ gemietet.
    Eirin probierte ihr weißes Kleid an. Doris, Inga, Ilse und drei von den Schwestern in Brattholms Klinik waren zu Brautjungfern bestimmt, Marit Claussen erbot sich als Eirins Brautführerin. Halfdans Kollegen hielten es für eine Selbstverständlichkeit, eingeladen zu werden - und eins, zwei, drei war eine Hochzeitsgesellschaft beisammen von über zwanzig Gästen.
    Dr. Brattholm fühlte sich gewissermaßen als Eirins Schwiegervater. Er führte Tante Bertha zu Tisch, und sie waren schnell auf gleicher Wellenlänge. Zu seiner Linken saß Frau Dr. Claussen, und zwischen dieser und Schwester Agathe hatte Dr. Randers seinen Platz.
    Es war eine gediegene Hochzeit, und die Stimmung ging hoch.
    Der einzige Stille war Fredrik Branstad, der gute Freund des Brautpaares, der ihnen den großen, uneigennützigen Dienst erweisen wollte, für drei Monate in das gottverlassene Frostviken zu gehen. Alle, die Dr. Branstad kannten, fanden, er habe sich in den letzten Wochen verändert. Er war sympathischer geworden - nicht mehr so lümmelhaft und von sich eingenommen wie sonst. Um den schönen Mund spielte ein ernsterer Zug, und ein neuer, nachdenklicher Ausdruck lag in den funkelnden Augen.
    Frau Dr. Claussen konnte den Blick nicht von der Braut wenden. Wie sie vor Glück leuchtete, die Schwester Lise!
    Frau Dr. Claussen sah sie wieder vor sich: die kleine ängstliche, müde Lernschwester, die sie sicher viele Male heruntergeputzt hatte. Sie erinnerte sich an die traurigen, brennenden Augen, als Schwester Lise ihren berühmten Schnitzer mit Frau Ervik gemacht hatte und um Verzeihung bat - gedachte der frohen, warmherzigen Krankenschwester, die ihrer Kollegin Kaffee ans Bett bringen wollte
    - sah noch das Morgenfrühstück vor sich, das Schwester Lise an jenem Sonntagmorgen hergerichtet hatte. Und sie erinnerte sich an das verzweifelte bleiche Geschöpf, das auf einer Bank im Garten des Krankenhauses gesessen und
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