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Schwerter-Zylus 05 - Schwerter im Kampf

Schwerter-Zylus 05 - Schwerter im Kampf

Titel: Schwerter-Zylus 05 - Schwerter im Kampf
Autoren: Fritz Leiber
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hielten uns Bande von Fleisch und Blut, wie dieses nur bei wenigen Zwillingspaaren der Fall ist.
    Der alte Mann sagte mir, ich könne meinen Bruder vor dem Tode retten, wenn ich wollte. Zunächst müsse ich nur wie üblich mit ihm sprechen. Und das tat ich – mit einem Eifer, der seine Ursache in den Tagen hatte, die ich ohne ihn verbringen mußte. Bis auf ein gelegentliches schwaches Beben seiner bleichen Lider bewegte sich Anra nicht, und doch hatte ich das Gefühl, daß er mir nie zuvor so genau zugehört hatte, daß er mich nie zuvor so gut verstanden hatte. Es wollte mir scheinen, als seien all meine bisherigen Gespräche mit ihm vergleichsweise unreif gewesen. Jetzt fielen mir alle möglichen Dinge ein, die meinem Gedächtnis entfallen oder zu kompliziert gewesen waren, um ausgesprochen zu werden. Ich redete aufs Geratewohl weiter, wechselte vom Klatsch aus der Stadt zu weltgeschichtlichen Fragen, stürzte mich in Myriaden von Erlebnissen und Gefühlen, von denen aber nicht alle die meinen waren.
    Stunden vergingen, vielleicht auch Tage – vielleicht hatte der alte Mann die anderen Hausbewohner mit Schlaf oder Taubheit geschlagen, damit wir nicht gestört wurden. Von Zeit zu Zeit trocknete mir die Kehle aus, und er gab mir etwas zu trinken, doch ich wagte nicht lange zu schweigen, da mich die leichte, aber ständige Verschlechterung seines Zustandes entsetzte und mich der Gedanke erfüllte, daß mein Geplauder Anras letzte Bindung an das Leben war, daß meine Worte einen Kanal zwischen unseren Körpern schufen, durch den meine Kraft zu ihm fließen und ihn stärken konnte.
    Die Umwelt verschwamm mir vor den Augen, mein Körper zitterte, meine Stimme wurde mit der Zeit immer heiserer, bis ich nur noch ein fast unverständliches Flüstern zustandebrachte. Trotz meiner Entschlossenheit wäre ich in Ohnmacht gefallen, wenn der alte Mann nicht aromatisch riechende Kräuter vor meinem Gesicht abgebrannt hätte, die mich erschaudernd wieder in die Wirklichkeit zurückholten.
    Schließlich konnte ich gar nicht mehr sprechen, doch das war keine Erleichterung, da ich weiter mit den gesprungenen Lippen zuckte und meine Gedanken wie zuvor in wildem, fiebrigem Strom durch meinen Kopf huschten.
    Es war, als risse ich aus den Tiefen meines Geistes zahlreiche Ideenfetzen, aus denen Anra das Leben gewann, das ihm noch verblieb.
    Ein Bild bewahrte sich besonders klar in meinem Kopf – das eines sterbenden Hermaphroditus, der sich Salmacis' Teich näherte, in dem er mit der Nymphe verschmelzen würde.
    Immer tiefer wagte ich mich in den wortgeschaffenen Kanal zwischen uns, immer mehr näherte ich mich Anras bleichem, empfindsamem, ausgemergeltem Gesicht, bis ich ihm wie in einer verzweifelten letzten Anstrengung meine letzten Kräfte entgegenschleuderte, bis das Gesicht riesig wie eine grünüberschattete Elfenbeinklippe vor mir aufragte, mir entgegenstürzte, um mich zu umschließen ...«
    Ahura unterbrach sich und stieß einen Entsetzensschrei aus. Die drei Reisenden blieben abermals stehen und starrten in den Nebel. Im Dunst vor ihnen ragte ein seltsames Gebilde auf, so nahe, daß sie sich plötzlich überfallen glaubten – ein wirres Gebäude aus weißlichen, leicht angegilbten Steinen mit schmalen Fenstern und einer weitgeöffneten Tür, aus der ein unheilvolles grünes Licht drang, die Ursache des phosphoreszierenden Nebelglanzes.
    Fafhrd und der Mausling dachten an Karnak und seine Obelisken, an den Leuchtturm von Pharos, an die Akropolis, an das Ischtartor in Babylon, an die Vergessene Stadt des Ahriman, an all die verhängnisvollen Traumbild-Türme, die sich den Seeleuten an jener Stelle zeigten, wo Skylla und Charybdis lauern. Genau genommen wechselte die Architektur des seltsamen Gebäudes so schnell und in derart überirdischen Extremen, daß sie eine verrückte Sphäre eigener Art zu bilden schien. Vom Nebel vergrößert, strebten die gewundenen Rampen und Turmspitzen wie ein verschwimmendes Alptraumgesicht in jene Richtung, wo die Sterne hätten sein müssen.
     

9. Das Nebelschloß
    »Was dann geschah, war so seltsam, daß ich das Gefühl hatte, aus der fiebrigen Gegenwart in einen kühlen, angenehmen Traum gestürzt worden zu sein«, fuhr Ahura fort, nachdem sie ihre Pferde angebunden hatten und eine breite Treppe erstiegen. Sie näherten sich der offenen Tür, die ein plötzliches Vorstürmen und ein vorsichtiges Erkunden gleichermaßen zu verlachen schien. Ahuras Bericht setzte sich mit demselben matten
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