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Schwerter-Zylus 05 - Schwerter im Kampf

Schwerter-Zylus 05 - Schwerter im Kampf

Titel: Schwerter-Zylus 05 - Schwerter im Kampf
Autoren: Fritz Leiber
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Geister wie eine Leier zum Klingen bringen würden, ihr Gott war die Quintessenz des Bösen – Ahriman, der letzte Abgrund.
    Das normale Leben im Haus ging weiter – allerdings gingen die Hausbewohner wie Schlafwandler durch das Leben. Manchmal hatte ich das Gefühl, daß wir alle, mit Ausnahme Anras, Träume in den leeren Augen des Alten waren – Schauspieler in einem Alptraum, in dem er Regie führte und in dem Menschen Bestien darstellten und Bestien Würmer und Würmer Schleim.
    Jeden Morgen zog ich los und machte meinen üblichen Rundgang durch Tyrus; ich plauderte und lachte wie zuvor, doch seltsam hohl und leer, in dem Bewußtsein, daß ich durch unsichtbare Ketten an das Haus gefesselt war, eine Marionette, die über die Gartenmauer gehängt worden war. Nur in Nebensächlichkeiten wagte ich mich dem Willen meines Herrn zu widersetzen – und auch dann nur passiv: einmal schmuggelte ich dem Mädchen Chloe ein Schutzamulett zu, weil ich mir vorstellte, daß sie für Experimente herangezogen werden sollte, wie sie schon an Phryne durchgeführt worden waren. Und von Tag zu Tag weitete sich der Horizont ihrer Vorstellungen – ja, sie hätten das Haus längst verlassen, wenn Anra nicht so daran gebunden gewesen wäre.
    Die beiden widmeten sich jetzt dem Problem, diese Bindung zu lösen. Sie erzählten mir nicht, wie dies geschehen sollte, doch ich erkannte bald, daß ich eine Rolle dabei spielen sollte.
    Die beiden strahlten mir grelles Licht in die Augen, und Anra sang vor sich hin, bis ich eingeschlafen war. Stunden oder Tage später erwachte ich und stellte fest, daß ich unbewußt meine täglichen Arbeiten verrichtet hatte, wobei mein Körper unter Anras Kontrolle gewesen war. Bei anderer Gelegenheit setzte Anra eine dünne Ledermaske auf, die sein ganzes Gesicht bedeckte, so daß er, wenn überhaupt, nur durch meine Augen sehen konnte. Das Gefühl des Einsseins mit meinem Zwillingsbruder wuchs proportional mit meiner Angst vor ihm.
    Dann kam eine Zeit, da ich in strenger Abgeschiedenheit gehalten wurde, als müsse ich ein groteskes Ritual der Reifung oder des Todes oder der Geburt durchstehen – oder alle drei. Der Alte machte eine Bemerkung, ich dürfe ›die Sonne nicht sehen und die Erde nicht berühren‹. Wieder hockte ich stundenlang in dem kleinen Raum unter dem Dach oder auf Schilfmatten im Keller. Und jetzt waren nicht mehr Anras Augen und Ohren bedeckt, sondern mein Kopf war verhüllt. Viele Stunden verbrachte ich auf diese Weise, ich, für den die Szenen und Laute der Welt mehr als eine Nahrung gewesen war, sah nur bruchstückhafte Erinnerungen an den ganz jungen Anra oder den Alten in seinem verqualmten Raum, oder Phryne, die sich auf dem Boden wand und wie eine Schlange zischte. Doch das Schlimmste war meine Trennung von Anra. Zum erstenmal seit unserer Geburt konnte ich sein Gesicht nicht sehen, seine Stimme nicht hören und seinen Geist nicht spüren. Ich verdorrte wie ein Baum, dem die Nahrung entzogen wurde, wie ein Tier, dessen Nerven abgestorben sind.
    Schließlich kam der Tag oder die Nacht, ich weiß die Tageszeit nicht genau, da mir der alte Mann die Maske vom Gesicht nahm. Der Raum war sicher kaum erleuchtet, doch meine seit vielen Tagen verbundenen Augen machten jede Einzelheit des kleinen Kellers mit schmerzhafter Deutlichkeit aus. Die drei grauen Steine waren aus dem Boden gegraben worden. Anra lag daneben ausgestreckt, ausgemergelt, bleich, kaum atmend, und er sah aus, als würde er gleich sterben.«
    Die drei Reisenden sahen sich plötzlich einer unheimlichen grünen Mauer gegenüber und zügelten ihre Pferde. Der schmale Pfad war zu Ende und ging in ein Gebiet über, bei dem es sich wohl um den flachen Gipfel des Berges handelte. Vor ihnen erstreckte sich eine dunkle Felsfläche, die bereits nach den ersten Metern vom Nebel verschluckt wurde. Wortlos stiegen sie ab und führten die zitternden Tiere in eine feuchte Welt, die eine gewisse Ähnlichkeit mit einem schwach phosphoreszierenden Meeresgrund hatte.
    »Entsetzen und Mitleid mit meinem Zwillingsbruder erfüllten mein Herz. Ich erkannte, daß ich ihn trotz aller Tyrannei und Quälerei noch immer mehr als alles auf der Welt liebte, ihn liebte, wie eine Sklavin den schwachen, grausamen Herrn liebt, der völlig von dieser Sklavin abhängt, ich liebte ihn wie der mißbrauchte Körper den despotischen Geist verehrt. Und ich fühlte mich ihm enger verbunden, fühlte unsere gegenseitige Abhängigkeit im Leben und im Tod, als
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