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Wege des Herzens

Wege des Herzens

Titel: Wege des Herzens
Autoren: Maeve Binchy
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PROLOG
    M anche Projekte brauchen eine Ewigkeit, bis sie endlich Realität werden.
    Eines davon war der Umbau des stillgelegten Depots, das zum St. Brigid Hospital gehörte, eine hässliche Ansammlung unterschiedlich großer Lagerhallen. Früher war dort alles untergebracht, was das Krankenhaus benötigte, aber mittlerweile lag das Depot zu ungünstig. Eine neue Einbahnstraßenregelung war daran schuld, dass man eine lange und beschwerliche Fahrt quer durch Dublin auf sich nehmen musste, um von einem Ort zum anderen zu gelangen.
    In diesem Teil von Dublin gab es immer noch die alten Arbeiterhäuser und Fabrikgebäude, die in moderne Wohnblocks umgestaltet worden waren. Dieser Teil der Stadt »boomte« und war enorm »in«, wie die Immobilienleute es beschrieben; bald würden Spekulanten auch ein Auge auf die Lagerhallen werfen und dem Krankenhaus St. Brigid ein Angebot von der Art unterbreiten, das man nicht ablehnen konnte.
    Genau das war es, was Frank Ennis sich wünschte. Er hielt sich selbst für das Superhirn der Finanzverwaltung von St. Brigid, und eine riesige Finanzspritze, ein schöner Batzen Geld in seiner Amtszeit als Verwaltungschef, war genau das, was dem Krankenhaus fehlte.
    Frank Ennis konnte das alles bereits Realität werden sehen.
    Natürlich gab es jedes Jahr, wenn das Planungskomitee sich bei der Hauptversammlung traf, das eine oder andere Problem, das Frank davon abhielt, diese lästige Immobilie zu verkaufen und das Geld in das Krankenhaus zu stecken. In dem einen Jahr waren es die Rheumalobbyisten, die sich eine Rheumaambulanz wünschten. Dann gab es die Abteilung für Lungenkrankheiten, die ein Zentrum für Patienten mit Beschwerden der Atemwegsorgane einrichten wollte. Ganz zu schweigen von der sich zusehends stärker zu Wort meldenden Herzfraktion. Ihre Befürworter behaupteten, dass genügend wissenschaftliche Gutachten vorlägen, die bewiesen, dass Patienten auch ambulant betreut werden könnten – und folglich weniger Krankenhausbetten nötig wären –, wenn sie nur eine entsprechende Anlaufstelle hätten. Die Kardiologen kamen Frank vor wie Hunde, die sich in einen Knochen verbissen hatten – sie wollten nicht mehr davon ablassen.
    Frank seufzte, da ihnen ein weiterer Nachmittag in dem engen, muffigen Besprechungszimmer der Klinikleitung bevorstand, deren Mitglieder bereits um den Tisch versammelt waren. Frank betrachtete freudlos die übliche Ansammlung von Menschen, die jedem beliebigen Klinikdirektorium hätte angehören können. Da war die – wie er sie nannte – Nonne in Zivil. Früher war St. Brigid ausschließlich von Nonnen geleitet worden; jetzt waren gerade mal vier Ordensschwestern übrig geblieben. Daneben saßen die offiziellen Vertreter der Gesundheitsbehörde, alles ältere Herrschaften, die bereits auf anderen Gebieten ihre Verdienste erworben hatten. Und da war der gutmütige amerikanische Philanthrop Chester Kovac, der etliche Meilen entfernt auf dem Land ein privates Gesundheitszentrum errichtet hatte.
    Die Ordensschwester in Zivil würde wie immer alle Fenster aufreißen, so dass die Papiere über den Tisch geweht wurden, woraufhin irgendjemand die Fenster wieder schließen musste. Frank hatte dies viele Male miterlebt. Doch bei der heutigen Gelegenheit witterte er Morgenluft, und der Sieg schien ihm nahe, denn er hatte ein schriftliches Angebot über eine enorme Summe von einem Bauträger vorliegen, der ihnen sofort das umstrittene und für sie völlig nutzlose Grundstück um das Depot abkaufen würde – eine Summe, die jeden von ihnen aufhorchen lassen würde.
    Unweigerlich würde daraufhin die Frage im Raum stehen, wofür das Geld am besten auszugeben sei. Würde es in den Topf für die ultramodernen Computertomographen wandern? Oder doch eher dazu verwendet werden, die Fassade des Krankenhauses radikal umzugestalten? Wie bei vielen Gebäuden aus dieser Zeit, dem frühen zwanzigsten Jahrhundert, führte eine unpraktische Steintreppe hinauf zum Haupteingang. Eine Rampe oder Ähnliches wäre wesentlich geeigneter, um schwachen und gebrechlichen Patienten leichter Zugang zu gewähren.
    Außerdem herrschte stets Bettenmangel in der chirurgischen Gynäkologie, und es wurden mehr Isolierzimmer benötigt. Auch die Überwachungsstation hatte in der letzten Zeit großen Druck gemacht, da man zu einer Intensivstation aufgewertet werden wollte, und das kostete Geld.
    Wie auch immer. Auf jeden Fall würden sie heute dem Bauträger eine Antwort geben, sein Angebot
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