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Schweigenetz

Titel: Schweigenetz
Autoren: Kai Meyer
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Messer steckte, langsam auf die Füße stemmte. Aus seinen Augen sprühte pure Mordlust. Mit einem Aufschrei riss er sich die Klinge aus dem Arm und kam damit auf Carsten zu. Hinter Carsten klaffte der Abgrund. Sturm und Regen peitschten ihnen beiden ins Gesicht.
    Plötzlich hörte Carsten das Flattern von Stoff, dann einen Aufprall. Fenn war plötzlich neben ihnen, ein brutales Funkeln in den Augen. Sein langes schwarzes Haar wirbelte im Wind wie das Schlangenhaupt der Medusa. Er stürzte sich auf den Mann, rammte ihm die Faust in den Magen und wurde seinerseits zurückgedrängt, als die Klinge seines Gegners eine blutrote Spur über seine Brust zog. Er prallte mit dem Rücken gegen den Fels, nahm sich aber nicht die Zeit, die Wunde abzuschätzen, sondern federte erneut nach vorne. Diesmal verfehlte ihn das Messer, er schlug dem Mann die Waffe aus der Hand und bekam dafür das angewinkelte Knie des anderen zwischen die Beine. Er taumelte erneut zurück, zog aber seinen Gegner mit sich herum. Der Mann wandte Carsten jetzt den Rücken zu.
    Carsten sprang los und prallte in vollem Lauf gegen ihn. Er sah noch, wie der Mann mit großen Augen herumfuhr, gleichzeitig den Halt verlor und über die Kante des Absatzes kippte. Mit einer Langsamkeit, als würden seine Bewegungen unter Wasser ablaufen, streckte er noch eine Hand nach Carsten aus, schrie irgendwelche unverständlichen Worte und verschwand in der Tiefe. Er fiel noch, als Carsten hinter ihm über den Vorsprung blickte. Nach zehn Metern prallte der Mann mit dem Rücken auf eine scharfe Felsformation. Das Brechen seiner Wirbelsäule war bis hier oben zu hören. Das Echo klang wie meckerndes Gelächter.
    Fenn zog Carsten von der Felskante fort. »Das war feige, aber gut.«
    Carsten hatte das Gefühl, als müsse er sich übergeben. Er wollte etwas erwidern, als oben im Wald ein Schuss krachte.
    Dann noch einer.
    Und ein dritter.
    Während Carsten und Fenn mit Rochus kämpften, folgte Sandra den beiden Frauen bis zum Waldrand. Die Rothaarige zog Nina mit sich und presste die Waffe in ihre Seite. Nina stolperte neben ihr her, unfähig, sich zu wehren, ohne ihr Leben aufs Spiel zu setzen.
    Sandra sah durch die wirbelnden Vorhänge aus Regen, wie die beiden in den Schatten der Bäume verschwanden. Sie beschleunigte ihr Tempo. Die Rothaarige würde damit rechnen, dass sie verfolgt wurde. Sandra musste gleich etwas unternehmen, oder ihr würde nicht mehr die Zeit dazu bleiben. Wenn sie die beiden einmal aus den Augen verloren hatte, war Nina so gut wie tot.
    Hinter den Baumreihen waren die Umrisse der Frauen kaum mehr als flimmernde Schatten. Mal zu sehen, dann wieder fort. Sandra war allein, sie war schneller und wendiger.
    Äste peitschten in ihr Gesicht, und das nasse Moos verwandelte den Waldboden in eine gefährliche Rutschbahn. Das Prasseln der Tropfen in den Baumwipfeln und der stöhnende Wind übertönten jedes Geräusch.
    Da vorne waren sie wieder.
    »Stehen bleiben!«, schrie sie.
    Dass die rothaarige Frau ihren Aufruf befolgte, erstaunte Sandra. Vor einem riesigen Findling mit grauer, poröser Oberfläche hielt sie an, wirbelte herum und zerrte Nina als lebendigen Schutzschild vor ihren Körper.
    Sandra blieb zehn Meter vor ihr stehen und riss beide Pistolen hoch.
    »Da wären wir also wieder«, sagte die Frau und lächelte bitter. Die gleiche Situation, die gleichen Voraussetzungen wie im Kloster. Mit dem Unterschied, dass Sandra diesmal allein war. Kein Carsten, der durch seinen gutgemeinten Eingriff ihre Gegnerin verwirrte; kein Hagen, der sie rettete. Plötzlich fragte sie sich, was sie überhaupt ausrichten konnte, ohne das Mädchen zu gefährden.
    »Sie sind tot«, sagte die Frau an Sandra gewandt. Ihre Waffe drückte gegen Ninas Kopf. »Mittlerweile müssten Sie das alte Spiel doch kennen. Waffen runter, wegwerfen, Hände nach oben.«
    »Bisher waren Sie damit nicht allzu erfolgreich«, erwiderte Sandra. Die Mündung ihrer Waffe zeigte unverändert nach vorne. »Wenn Sie dem Mädchen etwas tun, drücke ich ab.«
    »Sehen wir, wer schneller ist.«
    Ninas Augen waren weit aufgerissen. Allen drei Frauen perlte Schweiß von der Stirn.
    Irgendwo in der Tiefe der Wälder schrie ein Tier.
    Sandras und Ninas Blicke kreuzten sich. Tut mir leid, sagten Sandras Augen.
    Sie senkte die Waffe in ihrer rechten Hand um eine Winzigkeit. Zielte jetzt direkt auf Nina. Drückte ab.
    Die Kugel durchschlug Ninas linken Oberschenkel.
    Das Bein knickte ein.
    Mit einem
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