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Schweigenetz

Titel: Schweigenetz
Autoren: Kai Meyer
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töten«, erwiderte Fenn. »Und uns dazu.«
    »Wollen Sie es darauf ankommen lassen?«
    »Wer garantiert uns, dass Sie dem Mädchen und Hagen nichts tun?«
    »Niemand.«
    Das war deutlich.
    »Zum letzten Mal«, sagte die Frau. »Werfen Sie die Waffen herunter. Keine Hinhaltetaktik mehr wie im Kloster. Wenn Sie nicht sofort gehorchen, erschieße ich erst Ihren Freund, dann die Kleine.«
    Fenn schloss die Augen, atmete tief durch, dann nickte er. »Also gut.«
    Sandra wollte auffahren, aber er schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. »Tut, was sie sagt«, befahl er.
    Er sicherte seine Waffe und warf sie durch die Öffnung die Treppe hinunter. Sie verschwand im schwarzen Dunst. Sandra schleuderte ihre Waffe mit finsterem Gesichtsausdruck hinterher.
    »Das ist nicht alles«, rief die Frau hinauf.
    »Alles, was wir in den Händen halten«, antwortete Fenn. »Der Rest lagert in Kisten.«
    Die Rothaarige schwieg einen Moment, dann sagte sie: »Gut, kommen Sie jetzt runter. Ganz langsam, einer nach dem anderen, und in großen Abständen. Ich will Sie deutlich sehen können.«
    Fenn warf Carsten und Sandra einen bedauernden Blick zu, dann stieg er als Erster mit am Hinterkopf verschränkten Händen die Treppe hinunter. Sandra folgte ihm, als Letzter ging Carsten.
    In der Westwand des Erdgeschosses klaffte ein türgroßes Loch. Dahinter fiel nach einem halben Meter die Felskante der Schlucht steil in die Tiefe. Der Raum war noch immer voller Rauchschwaden.
    Die Frau hielt Nina wie ein Schild vor ihrem Körper und hatte die Mündung einer Pistole an ihre Schläfe gedrückt. Auf Ninas Gesicht lag ein Ausdruck ergebener Gleichgültigkeit. Die Ruhe vor dem Sturm.
    Einen Schritt hinter der Rothaarigen stand ein breitschultriger Mann mit hellblondem Stoppelhaar und brutalen Zügen. Er entsprach bislang am ehesten dem Bild, das Carsten sich von ihren Gegnern gemacht hatte. Es fiel leicht, diesen Mann nicht zu mögen.
    Michaelis war nirgends zu sehen. Vielleicht hatte ihn die Granate erledigt.
    Carsten hatte gerade die Hälfte der Treppe hinter sich, als etwas geschah, womit niemand gerechnet hatte. Hagen, der reglos an einer Wand lag und aus einer Schusswunde an seiner rechten Brustseite blutete, hatte plötzlich ein langes Stilett in der Hand und schleuderte es in die Richtung des Mauerdurchbruchs. Noch während er vor Erschöpfung zusammensackte, surrte die Klinge knapp an der Schulter der Rothaarigen vorbei und schlug in den rechten Oberarm ihres Partners. Der Mann schrie auf und ließ seine Waffe fallen.
    Die Frau riss ihre Pistole in Hagens Richtung und drückte ab. Hagens Kopf wurde von dem Einschlag mit einem lauten Krachen gegen die Mauer geschleudert. Er war sofort tot.
    Im gleichen Moment tat Carsten etwas, das ihn selbst überraschte. Aus seiner erhöhten Position sah er wie in Zeitlupe, dass sich die Mündung der Waffe von Ninas Schläfe entfernte. Ohne ein Wort stieß er sich von der Stufe ab und sprang mit voller Wucht gegen Nina und die Frau. Alle drei wurden zurückgeschleudert und stürzten in einem Wirrwarr aus Armen und Beinen nach hinten. Die Rothaarige verlor ihre Waffe, hielt Nina aber weiterhin gepackt. Carsten glitt über die beiden hinweg, schlitterte mit einem Aufschrei ins Freie und über die Felskante hinweg. Ehe er sich bewusst wurde, dass er nicht am Grund der Schlucht zerschellte, prallte er keine zwei Meter tiefer auf einen schlammigen Absatz.
    Als er sich aufrappelte, sah er noch, wie die Frau sich mit Nina im Schlepptau aus der Öffnung und an der Wand entlangdrückte, aus einem zweiten Schulterhalfter ihre andere Waffe zog und mit ihrem Opfer im Regen davonstolperte.
    »Nina!«, schrie er, aber die einzige Antwort war das langgezogene Echo in der Schlucht. Er versuchte, sich am Fels hinaufzuziehen, aber seine Kraft reichte nicht aus.
    Gleichzeitig kam Sandra aus dem Mauerdurchbruch, in beiden Händen hielt sie eine Pistole.
    »Hilf mir hoch«, stöhnte Carsten, aber sie schüttelte den Kopf.
    »Später«, stieß sie gehetzt hervor und folgte Nina und der Rothaarigen hinaus ins Unwetter, Richtung Waldrand.
    Carsten versuchte ein zweites Mal hinaufzuklettern, als plötzlich ein gellender Schrei ertönte und jemand in weitem Bogen über ihn hinwegsegelte, mit einem Fuß sein Ohr streifte und dann mit einem dumpfen Aufprall hinter ihm liegen blieb. Fenn erschien über ihm in der Öffnung, unbewaffnet, schweratmend.
    Carsten fuhr herum und sah, wie sich der Mann, in dessen Arm immer noch Hagens
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