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Schweigenetz

Titel: Schweigenetz
Autoren: Kai Meyer
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darauf, dass sie dumm genug waren, sich zu zeigen.
    Jemand warf sich unten gegen die Tür.
    Hagen wischte sich Blut von der Stirn. »Wir müssen irgendetwas tun.«
    Sandra nahm einen faustgroßen, dunklen Gegenstand aus einer der Kisten und stieg damit eilig die Treppe hinauf. Fenn nickte, als sie ihm die Granate in die Hand drückte.
    »Weißt du ungefähr, wo der Scheißkerl sitzt?«, fragte sie.
    Regen spülte Blut von ihrem Gesicht.
    Fenn nickte. »Zumindest wird sie das für einen Augenblick ablenken.« Er holte tief Luft, entsicherte die Granate und schleuderte sie in gerader Linie in die Richtung, aus der der letzte Schuss gekommen war. Während sie auf die Detonation warteten, zogen beide ihre Pistolen.
    Die Explosion krachte wie ein betäubender Donnerschlag über das Ödland zwischen Wald und Turm. Eine Hitzewelle schlug als kochende Sturmflut über die Brüstung.
    »Los!«
    Fenn und Sandra sprangen in einer einzigen, blitzschnellen Bewegung auf, lehnten sich über den Fensterrand und feuerten über dem Eingang in die Tiefe.
    Zwei Männer standen vor der Tür und sahen voller Überraschung vom Einschlag der Granate am Waldrand zu ihnen hinauf. Sandras Kugel traf den einen in die Stirn, Fenn erledigte den anderen durch zwei Schüsse in Schulter und Hals. Dann sanken sie zurück hinter die Brüstung.
    Ein dritter Mann, der auf halbem Weg zwischen den Bäumen und dem Turm gestanden hatte, rannte zurück in Sicherheit und feuerte im Laufen eine Salve aus seiner Maschinenpistole in ihre Richtung. Die Kugeln fegten von unten gegen das Dach des Turms und jaulten wirkungslos als Querschläger durch die zerschossenen Scheiben nach draußen.
    Rochus hechtete über die Bodenwelle, hinter der Michaelis seine Position bezogen hatte. Nadine lag neben ihm, Teile ihrer Kleidung waren zerfetzt. Durch einen Riss in ihrem Oberteil konnte er ihren hellen, flachen Bauch sehen, durch einen anderen die obere Hälfte der linken Brust. Ruß und Schmutz bedeckten sie von oben bis unten. Angriffslustig blickte sie zwischen ihm und Michaelis hin und her. Sie schien nicht verletzt zu sein.
    Einige Meter weiter klaffte ein Krater im Erdreich, drei Meter breit und einen tief. Die Granate hatte einen Baum entwurzelt, der wie eine Brücke über das Erdloch gefallen war.
    »Wo ist Tomas?«, fragte Rochus.
    Nadine deutete hinauf ins Geäst der Fichten. »Da oben«, erwiderte sie bissig.
    Rochus folgte mit seinem Blick ihrer Geste. In den Zweigen hingen Fetzen von Tomas' Kleidung. Ein Stück weiter hinten, im Schatten der Bäume, lag etwas, das aus der Entfernung aussah wie eine Schaufensterpuppe nach einem Kaufhausbrand. Mit einem Fluch wandte er sich ab.
    »Da waren's nur noch drei«, spottete Nadine.
    Michaelis fuhr herum und schlug ihr ins Gesicht. Nadine federte in einer Bewegung nach oben, die so schnell war, dass die beiden Männer ihr mit den Augen kaum folgen konnten. Ehe Michaelis sich rühren konnte, rammte sie ihm die Mündung ihres Gewehrs in die Wange.
    »Tu das noch mal«, bat sie leise, jede Silbe eine tödliche Drohung. »Mach schon!«
    Michaelis hatte Mühe zu sprechen. Ein Blutstropfen perlte seine Wange hinunter. Das Gewehr drückte die Haut in seine Mundhöhle. »Ich gebe die Befehle und …«
    Nadine trat ihm mit aller Kraft in den Magen. »Leck mich«, zischte sie und zog die Waffe zurück. »Das hier haben deine verdammten Befehle bewirkt.« Sie deutete abfällig auf den Krater und Tomas' Überreste.
    Michaelis riss seine Pistole hoch und richtete sie auf ihren Kopf.
    Nadine lachte hell auf. Es klang wie das Klirren der Glasscheiben. »Schieß doch! Bringen wir uns gegenseitig um. Nawatzki wird stolz sein.«
    Michaelis hielt die Waffe starr in ihre Richtung. »Was ist dein Vorschlag?«, fragte er verbissen.
    Bevor sie antworten konnte, mischte sich Rochus ein. Mit einer Handbewegung strich er sich über das kurzgeschorene blonde Haar. »Warum machen wir es nicht wie die? Sprengen den ganzen verfluchten Turm einfach in Stücke. Die Dokumente werden so oder so vernichtet.«
    Nadine schüttelte den Kopf. Sie beachtete Michaelis Waffe nicht weiter, und schließlich ließ er sie sinken. »Hast du die Dokumente gesehen?«, fragte sie Rochus. »Was ist, wenn sie nicht da drin sind? Wenn wir sie alle in die Luft sprengen, gibt es keinen mehr, der uns verraten könnte, wo sie sich befinden. Bis Nawatzki sie vielleicht eines Tages in seiner eigenen Zeitung lesen kann.«
    Sie schwieg einen Moment. »Nein«, sagte sie dann, »es
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