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- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Autoren: Tobias Radloff
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dass an Schlaf nicht zu denken war, nicht bevor er ein Stündchen oder zwei durchs Netz gestreift war. Aber vorher brauchte er ein wenig frische Luft.
    Meph zog seine Kevlarweste an, setzte den gepanzerten Helm auf und befestigte sorgfältig den Kinnriemen, bevor er seine Schlafkabine verließ und vor die Tür des I-Cafés trat.

/// Erster Teil:
Identitätskontrolle

    /// Beitrag von: cosima_hauser
    /// Für meine Begriffe laufen die Diskussionen in diesem Forum gehörig aus dem Ruder. Ich denke, wir sollten die Dinge alle mit etwas mehr Distanz betrachten. Geht mal eine Weile offline, geht nach draußen, spazieren (falls das Sicherheitsbarometer es gestattet). Danach pflichtet ihr mir hoffentlich bei, wie abstrus viele der Verschwörungstheorien sind, die hier verbreitet werden. Westphal nur eine Marionette der Wirtschaftsbosse? Ephraims Anschlag in Wahrheit das Werk unserer Geheimdienste? Ich bitte euch.
    Bedenkt das Medium, über das wir uns austauschen. Ich habe in meinen Studien nachweisen können, wie stark jeder Onlinediskussion die Tendenz zum Extrem innewohnt: weg von Genauigkeit und Faktentreue, hin zu Vereinfachungen und voreiligen Schlüssen, das Ganze durchsetzt mit persönlichen Angriffen (Godwin‘s Law). Schwarmintelligenz ist nur ein anderer Begriff für die Dummheit der Herde. Darum rate ich, jedes Wort, das auf diesen Seiten verbreitet wird, mit Vorsicht zu genießen …
    /// Zu diesem Beitrag liegen 1.034 Antworten vor.

///1

    Auf dem Bild herrscht Nacht; jene Art von Nacht, die sich nur über Millionenstädte senkt und die lichter ist als anderswo der Tag. In den Straßen oszillieren Leuchtgase in Millionen von Straßenlampen und Reklamen. Sie strahlen stärker als die Sonne an einem verhangenen Morgen, doch ihr Licht verschiebt die Farben in eine dem Auge unangenehme Richtung, bis alles zu grell zum Hinsehen ist oder zu dunkel, um Einzelheiten zu erkennen.
    Die Kamera zeigt aus dem Inneren eines fahrenden Autos nach draußen. Am Rand der Schnellstraße huschen Laternenmasten vorbei. Rücklichter hinterlassen rote Zwillingsstreifen. Als ein Wagen aufblendet, spiegelt sich einige Augenblicke lang das Gesicht eines jungen Mannes in der Seitenscheibe. Er sieht krank und ausgezehrt aus, aber der Eindruck täuscht. Im Widerschein der 3D-Projektion auf seinem Schoß wirken seine Züge härter und die Ringe um seine Augen dunkler, als sie sind.
    Das Licht wechselt. Für einen Moment tritt in seinen Augen etwas an die Oberfläche, das sonst verborgen bleibt, eine seltsame Traurigkeit, oder die Sehnsucht nach etwas, von dem er selbst nicht weiß, dass er es vermisst. Dann löst sich die Spiegelung auf und das Gesicht verschmilzt mit der Nacht.

    »Kennen Sie die Geschichte von dem Mann, der von Computern umgebracht wurde?«
    Ein Scheinwerfer neben seinem Fenster zwang Meph, die Augen zusammenzukneifen. Er unterdrückte ein Gähnen und streckte sich, so gut das auf dem Rücksitz eines fahrenden Autos möglich war. Der Fahrer beobachtete ihn im Rückspiegel und wertete die Bewegung als Interesse. »Sie haben davon gehört? Sein Name war Li.« Sein Englisch war verständlich, aber mit jenem singenden Akzent, den Meph aus den Sprachkanälen von chinesischen Onlinespielen kannte.
    Er schüttelte den Kopf. Ein weiterer Fehler. Der Druck hinter seiner Stirn verstärkte sich.
    »Dann werde ich Ihnen von ihm erzählen. Warten Sie, ich habe ein Bild von ihm.« Der Mann beugte sich über den Beifahrersitz und kramte im Handschuhfach. Das Taxi steuerte bedrohlich auf die Leitplanke zu. Kurz bevor der Wagen sie berührte, riss der Fahrer gekonnt das Lenkrad herum. Ein Auto hupte. Er quittierte es mit ausgestrecktem Mittelfinger, dann reichte er einen Zeitungsausriss nach hinten.
    Meph starrte demonstrativ auf das Pad auf seinen Knien, doch der Mann auf dem Fahrersitz wedelte so eindringlich mit dem Artikel, dass er nicht anders konnte, als es entgegenzunehmen. Beiläufig registrierte er, wie dünn und leicht Zeitungspapier war. Fremde Schriftzeichen umrahmten das Bild eines Asiaten. Nach ein paar Sekunden gab Meph den Artikel zurück und versuchte, sich wieder auf sein MyLife-Profil zu konzentrieren.
    »Li war als Zeuge vor Gericht geladen«, erzählte der Chinese. »Jemand hatte ihn bestohlen. Aber unsere Gerichtsgebäude sind groß, und Li landete im falschen Saal. Als er seinen Namen nannte, wurde er von zwei Gerichtsdienern gepackt. Sie müssen wissen, dass der Name Li in China sehr häufig vorkommt.«
    Der
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