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- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Autoren: Tobias Radloff
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Fensterbrett stand ein digitaler Fotoprojektor. Soeben wechselte das Bild, die Chinesische Mauer löste sich auf und machte einer 3D-Aufnahme von Cosima Hausers Familie Platz.
    Meph trat näher. Das Bild zeigte seine lächelnde Gastgeberin neben einem chinesischen Mann. Auf ihrem Schoß saß ein Mädchen, dessen Gesicht die verschiedenartigen Züge seiner Eltern vereinte. Alle drei sahen glücklich aus.
    Der Duft von grünem Tee stieg ihm in die Nase. Cosima stand mit einer dampfenden Kanne hinter ihm. »Das ist eins meiner liebsten Bilder. Wie sehr Radha seitdem gewachsen ist.«
    Meph fühlte sich ertappt. »Ich wollte nicht …« Hastig stellte er den Projektor an seinen Platz zurück.
    »Das macht doch nichts. Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen den Rest der Bilder. Leider können Sie meine Familie nicht persönlich kennenlernen. Mein Mann und Radha besuchen seine Eltern.«
    »Ist schon in Ordnung.«
    Sie setzten sich an einen niedrigen, schwarz lackierten Tisch. Cosima füllte Tee in winzige Tassen und machte Small Talk. Sie war gut darin und erleichterte es Meph, sich in ihrer Gegenwart wohl zu fühlen.
    »Der Flug war großartig«, schwärmte er auf ihre entsprechende Frage hin. »Die Netzverbindung war breiter als alles, was ich bisher erlebt habe. Nun, es war ja auch Business Class.« Er zögerte. »Sie wissen aber, dass das nicht nötig gewesen wäre. Normalerweise arbeite ich online.«
    »Ich weiß. Aber ich wollte Sie unbedingt persönlich kennen lernen. Betrachten Sie es als eine Maßnahme, um gegenseitiges Vertrauen zu schaffen. Schließlich werden Sie mir so nahe kommen wie niemand sonst – falls ich mich dafür entscheide, heißt das.«
    Meph nippte schweigend an seinem Tee.
    »Erzählen Sie etwas über sich«, bat Cosima.
    Damit hatte er nicht gerechnet. »Über mich? Was wollen Sie denn wissen?«
    »Ich weiß nicht. Ich möchte Sie eben kennenlernen.«
    »Nun, meinen Namen kennen Sie ja bereits. Meph ist mein Nickname, seit ich alt genug bin, mich in einem Chatroom anzumelden. Irgendwann fasste er auch in der echten Welt Fuß, und heute nennt mich jeder so.«
    »Haben Sie Familie?«
    »Nicht mehr. Mein Vater starb, als ich sehr klein war. Meine Mutter dann vor ein paar Jahren. Krebs.«
    »Das tut mir leid.«
    Er nickte. »Was wollen Sie noch wissen?«
    »Alles, was Sie noch über sich verraten mögen.«
    Meph legte sein Pad auf den Tisch, sodass die Kameralinse nach oben zeigte. »Ich mache Ihnen einen besseren Vorschlag. Das Bild meiner Padkamera steht live im Netz. Es verrät Ihnen alles, was es über mich zu erfahren gibt. Sie können Tag und Nacht darauf zugreifen. Nur heute nicht«, fügte er hinzu. »Diskretion.«
    Sie sah Meph an, so wie man die kreischenden Menschen in einer Achterbahn aus sicherer Entfernung beobachtete. »Ich kenne die einschlägigen Seiten, aber ich habe noch nie einen Livestreamer persönlich getroffen. Jeder Mensch auf der Welt kann sehen, wo Sie sind und was Sie dort machen?«
    »Ja.«
    »Und Sie tun das freiwillig? Es macht Ihnen nichts aus, dass die ganze Welt Ihnen beim Frühstück zuschaut?«
    Meph zuckte die Achseln. »Wer sieht mir denn zu? Mein Leben ist zum Wegklicken langweilig. Werden Sie sich etwa anschauen, was ich morgen zum Frühstück esse?«
    Cosima schüttelte den Kopf. »Wohl kaum.«
    »Na also.«
    »Aber jetzt ist die Kamera aus?«
    »Ja. Immerhin ist das, was ich tue, streng genommen illegal.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Wer anderen Zugang zum eigenen Personal Online Drive gewährt oder unbefugt auf den Pod eines anderen zugreift, macht sich strafbar«, zitierte er aus dem Gedächtnis. »Wussten Sie das nicht?«
    Sie schüttelte den Kopf und nickte gleich darauf. »Ich hätte es mir denken können. Das muss aus einem der jüngeren Sicherheitsgesetze stammen. Hier kriege ich von der ganzen Sache nicht viel mit.«
    »Für Sie sollte das aber kein Problem sein«, wandte Meph ein. »Sie leben schließlich nicht in Deutschland.«
    »Ach, die alten Begriffe von Raum und Grenze verlieren doch immer mehr an Bedeutung. Solange ich deutsche Staatsbürgerin bin, sind meine Daten auf einer Festplattenfarm im Emsland oder in der Lausitz gespeichert. Ob ich in Schanghai lebe oder in Stuttgart, spielt dabei doch keine Rolle. Darauf zugreifen kann ich an jedem Ort auf der Welt, an dem ich Netzempfang habe. Also überall.«
    »Wie gesagt, ich petze schon nicht.«
    »Damit wären Sie auch schlecht beraten.« Sie lachte, wohl um ihren Worten jede Schärfe zu nehmen, die
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