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- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Autoren: Tobias Radloff
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aus den Padlautsprechern.
    Die echte Cosima schob das Essay in den Hintergrund und kehrte zur 3D-Galaxie des Startbildes zurück. Etwas am Rand der Darstellung erregte ihre Aufmerksamkeit. »Was ist das? Es sieht aus wie ein Sternbild.«
    »Fische. Ihr Sternzeichen. Das steht auf Ihrer MyLife-Seite«, beantwortete Meph die unausgesprochene Frage. »Dahinter finden Sie alle privaten Dateien, Fotos, Briefe und so weiter. Ich habe keine einzige dieser Dateien geöffnet. Sie können es im Zugriffsprotokoll überprüfen.«
    »Ich glaube Ihnen.«
    Als sie das Design zur Genüge erkundet hatte, lehnte sich Cosima zurück und schwieg. Friedlich, beinahe andächtig saßen sie nebeneinander wie Sterngucker auf einer nächtlichen Sommerwiese. Im Licht des eGalaxy war ihr Gesicht hart und kalt wie Porzellan.
    »Schauen Sie, eine Sternschnuppe!«
    Er zuckte zusammen. »Hmm? Ja. Ich habe sie so programmiert, dass sie in zufälligen Intervallen erscheint, aber mindestens …«
    »Das will ich gar nicht wissen. Wünschen Sie sich lieber etwas.«
    Wieder schwiegen sie eine Weile.
    »Ist es nicht eigenartig?«, meinte Cosima schließlich. »Ein ganzes Leben in diesem winzigen Gerät. Wie viele Schubladen und Kisten früher dafür nötig waren.«
    »Die gute alte Zeit.« Meph gähnte erneut.
    »Oh, bitte entschuldigen Sie. Ich philosophiere hier vor mich hin, während Sie kurz davor sind, einzuschlafen. Dabei ist Ihre Arbeit hier getan. Nochmals vielen Dank, Meph.«
    Sie stand auf und faltete das Pad mit einer routinierten Bewegung zusammen. Auch er erhob sich. »Wegen des Geldes …«
    »Machen Sie sich deswegen keine Sorgen. Mit diesem Bezahlservice aus Island kenne ich mich zwar nicht aus, aber es wird schon schiefgehen. Ich überweise das Geld noch heute Abend.«
    »Das wäre nett.« Meph deutete auf das eGalaxy, das jetzt bequem in Cosimas Hand passte. »Bevor ich zurückfliege, muss ich mir unbedingt so ein Schmuckstück zulegen.«
    Ein Taxi brachte ihn zurück in das I-Café, in dem er eine Schlafkabine gemietet hatte. Heute Nacht standen gleich zwei junge Männer hinter dem Tresen. Einer von ihnen schoss dahinter hervor, kaum dass Meph eingetreten war. Es war derselbe, den er schon vergangene Nacht hier gesehen hatte.
    »Meph, mein Friend!«, rief er auf Englisch.
    Meph kramte in seinem Gedächtnis. »Bala, richtig?«
    »Ba la !«, korrigierte der andere und strich das T-Shirt glatt, das über seinem Bauch spannte. »Warum hast du nicht schon gestern gesagt, wer du bist?«
    »Wer ich bin?«
    »Ich wusste, dass ich den Namen Meph schon mal gehört habe. Also habe dich getriggert. Als ich auf deine Designs stieß, fiel mir wieder ein, dass Yu Feng eins davon auf ihrem Pod hat. Du weißt schon, diese Unterwasserwelt.«
    » Aquarius? «
    »Yu Feng liebt es! Sie ist meine Freundin. Hier, ich habe ein Bild von ihr.« Balas Pad sprang wie von selbst in seine Hand. Meph sah nicht hin. Er war zu müde, um sich Honig ums Maul schmieren zu lassen.
    »Ist schon in Ordnung.«
    »Was führt dich nach Schanghai?«
    »Arbeit.«
    »Ein neues Design?«
    Meph schüttelte unbestimmt den Kopf, während er sich an Bala vorbei schob.
    Das Baang war zur Hälfte besetzt, trotzdem herrschte bis auf das Knarzen der Ledersessel Stille. Mit ihren Grafikhelmen sahen die Spieler aus wie gesichtslose Weltraumkrieger, doch durch ihre Schläuche strömte keine Atemluft, sondern Datenpakete. Explosionen zuckten über die Kontrollmonitore an den Wänden, Schlaglichter der ewigen Schlachtfelder in den Weiten des Netzes. Wenn einer der Cyberkrieger von einem Feuerball zerfetzt wurde, zuckte sein Spieler ungeduldig mit dem Abzugsfinger, bis das Spiel ihn wieder auferstehen ließ. Keiner bemerkte, wie Meph vorbeiging und sich in seinen Schlafsessel fallen ließ. Diese Zeit war ihm am liebsten – nachts, wenn die analogen Menschen schliefen.
    »Meph, schau mal!«
    Mit mehr Schwung als nötig drehte er seinen Sessel herum. »Hör mal, Bala, wenn es dir nichts …«
    »Ich bin in deinem Livestream.« Bala streckte ihm sein Pad entgegen, ein schickes koreanisches Modell. Auf dem Projektor hielt ein kleiner Bala Meph sein Pad vor das Gesicht.
    »Fein.« Für den Bruchteil einer Sekunde verspürte Meph den kuriosen Impuls, sein Pad samt Kamera auszuschalten.
    Bala tippte auf sein Pad und hielt es Meph erneut hin. »Und jetzt bist du in meinem.« Diesmal zeigte das Bild Meph im Sessel sitzend, unrasiert, mit müden Augen und einem Teefleck auf dem T-Shirt.
    Irritiert
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