Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Autoren: Tobias Radloff
Vom Netzwerk:
diesmal kam ihm keine Verwechslung zu Hilfe. Als die Begnadigung erlassen wurde, saßen die Namensvettern im selben Gefängnis, und der Direktor wollte in dieser Angelegenheit auf keinen Fall einen Fehler machen. Also verglich er die Gerichtsakten der beiden Lis. In der einen fand er zwei Morde, in der anderen keinen. Weil er aber wusste, dass der unschuldige Li wegen Mordes verurteilt worden war, folgerte er, dass er derjenige mit der Mordakte sein muss.«
    »Weil er nicht wusste, dass der Gouverneur die Akten bereits hatte ändern lassen.« Meph musste grinsen. Das war wirklich bedauerlich.
    »Der falsche Li wurde am nächsten Morgen hingerichtet.«
    Der Fahrer schwieg einen Moment, um dann lächelnd hinzuzufügen: »Aber er ist nicht umsonst gestorben.«
    »Haben Sie die herkömmlichen Ausweise wieder eingeführt?«
    »Unsere ID-Nummern haben jetzt acht Stellen mehr. Damit ist praktisch ausgeschlossen, dass es noch einmal zu einer derartigen Verwechslung kommt.«
    Er sah erwartungsvoll in den Rückspiegel. Meph gähnte mit geschlossenem Mund und versuchte, seinem unruhigen Gehirn einen klugen Kommentar abzuringen. »Dann wurde er aber nicht von Computern umgebracht, sondern von Menschen.«
    »Wirklich? Keiner der Beteiligten trachtete Li nach dem Leben. Alle Vorschriften wurden eingehalten, niemand fügte ihm absichtlich Schaden zu. Wer hat ihn also getötet? Der Richter? Der Gefängnisdirektor?«
    Meph zuckte die Achseln. »Tot ist er trotzdem.«
    Sie näherten sich dem Stadtkern von Schanghai. Links und rechts huschten die immer gleichen Bürotürme an ihnen vorbei. Die Stadt sah aus wie ein einfallslos gestaltetes Computerspiel.
    »In welches Hotel darf ich Sie bringen?«
    Meph blinzelte gegen die Müdigkeit an. Er hatte während des gesamten Fluges die Breitbandverbindung ausgereizt und brauchte dringend Schlaf. Oder eine Rize, damit er noch sein MyLife-Profil auf den neuesten Stand bringen konnte. »Fahren Sie mich zu einem Internetcafé irgendwo im Zentrum. Eins mit Schlafkabinen.«
    Der Blick des Fahrers strich über die Businessclass-Banderole an Mephs Rucksack. »Irgendeins?«
    »Gibt es bei Ihnen die Baang-Kette?«, erkundigte sich Meph. »Ich habe da einen Account.«
    Der Fahrer tippte etwas in sein Navigationspad und folgte den auf seiner Windschutzscheibe eingeblendeten Pfeilen. Auch Mephs Gedanken wechselten die Spur und landeten bei dem kleinen Plastikröhrchen, das in seiner Reisetasche im Kofferraum schlummerte. Er hatte es in einer luftdichten Plastiktüte tief in einem Paar schmutziger Socken versteckt; diesen Trick wandte er manchmal bei Thought Police an, wenn Connor die Chemoscanner der Hundedrohnen täuschen musste. Der Zoll am Flughafen hatte sein Gepäck nicht beanstandet, aber im Netz hatte Meph gelesen, dass chinesische Beamte manchmal Fundstücke für sich behielten. Hoffentlich hatten sie ihm nicht seine Rize geklaut.
    »Was hatte man ihm eigentlich gestohlen?«, fragte er. »Dem toten Li, meine ich.«
    »Ein Handy.« Der Taxifahrer drehte sich im Sitz um und tippte sich mit der Hand ans Ohr. »Sie wissen schon, der Vorläufer des Pads. Li wollte es einem Museum stiften.«

    Das Bild ist schwarz. In der Mitte steht: »Der Teilnehmer ist offline.«

    Meph vergewisserte sich, dass seine Padkamera wirklich ausgeschaltet war, ehe er an die Wohnungstür klopfte. Die Frau, die ihm öffnete, hatte europäische Gesichtszüge und trug ihr chinesisch geschnittenes Kleid mit der Selbstverständlichkeit einer gebürtigen Asiatin. »Ja, bitte?«
    »Äh, guten Tag. Frau Hauser? Mein Name ist Meph, ich meine, Martin Effenberger.« Sein Englisch war holprig im Vergleich zu ihrem.
    Übergangslos wechselte sie ins Deutsche. »Natürlich. Wie schön, dass Sie den weiten Weg auf sich genommen haben. Treten Sie ein!«
    Ihre Wohnung war hell und geräumig. Runde Durchgänge führten von der Diele in die angrenzenden Räume. Möbelstücke aus dunklem Holz betonten das vorherrschende Weiß. Meph ließ den Blick schweifen und nahm Details in sich auf, die er für ein neues Design verwenden konnte.
    »Setzen wir uns doch einen Moment ins Wohnzimmer, Herr Effenberger«, sagte Frau Hauser hinter ihm.
    Er lächelte verlegen. »Einfach nur Meph.«
    »Dann müssen Sie mich Cosima nennen.« Sie reichte ihm die Hand. »Gehen Sie einfach durch, Meph. Ich bin sofort bei Ihnen.«
    Das Wohnzimmer war so groß wie das gesamte PC-Baang in Spandau, aber viel heller. Die Vormittagssonne malte Muster auf den Boden. Auf dem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher