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- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

- Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken

Titel: - Schwarzspeicher - Du kannst dich nicht verstecken
Autoren: Tobias Radloff
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Funkantenne bei dem vergeblichen Versuch zitterte, Alarm zu schlagen. Eine Runde später erlosch das rote Auge. Die Drohne war erledigt.
    Lilith landete federnd neben Connor auf dem Boden. »Das war verdammt knapp, aber ich konnte ihren Alarmruf unterdrü…« Sie sah ihn an und erschrak. Ihre Augen wurden noch weißer, falls das überhaupt möglich war. »Connor, hör auf! Hör auf, an sie zu denken!«
    Er wollte es ja. Mit allen Tricks versuchte er, Mary aus seinen Gedanken zu drängen. An gar nichts denken. An Schokolade denken. Sich zum Lachen bringen. Er hatte keine Chance. Zwei Jahre lang hatte er kein einziges Mal an sie gedacht, aus Angst vor der Gedankenpolizei und ihren Sensoren, die jeden Quadratmeter von Neoberlin überwachten und jeden verbotenen Gedanken orten konnten. Und jetzt, wo er seine geliebte Mary zum ersten Mal nach so langer Zeit wieder vor seinem geistigen Auge sah, sollte er sich einfach umdrehen und gehen? Keine Chance. Ein Verdurstender macht keinen Bogen um die rettende Quelle.
    Er sah, wie Lilith ihre Kräfte sammelte, obwohl sie beide wussten, dass eine Abschirmung zu lange dauern würde, um den Alarm zu verhindern. Er spürte, wie Han ihn ohrfeigte, um ihn zur Besinnung zu bringen. Aber er hörte nicht auf zu lächeln.
    Dann gingen die Sirenen an. Der Büchersaal versank in rotem Alarmlicht, und unter der Decke knisterte ein Lautsprecher: »Hier spricht die Gedankenpolizei. Sie beherbergen schädliches Gedankengut und werden als Opfer einer neuroviralen Infektion behandelt. Eine lobotomische Einheit ist unterwegs. Bewahren Sie Ruhe und leisten Sie keinen Widerstand. Hier spricht die Gedankenpolizei …«
    Han und Lilith starrten ihn an. Connor stierte zurück. Er hatte nicht nur ihre einzige Gelegenheit zunichte gemacht, das Gegenmittel für den Neurovirus zu finden, der die Menschheit so gut wie ausgerottet hatte. Er hatte überdies auch seine Chance verspielt, den Schwur zu erfüllen, den er an Marys Grab geleistet hatte.
    Und aus dem Kopfhörer hörte er David sagen: »So, Leute, an dieser Stelle machen wir Schluss für heute.«

    Meph war so tief im Spiel versunken, dass er fest damit rechnete, sich inmitten rot erleuchteter Regalreihen wiederzufinden. Aber anstelle der allgegenwärtigen Gedankenkontrolle von Neoberlin umgab ihn wieder das vertraute Halbdunkel des PC-Baang-Internetcafés. Die Luft roch nach Achselschweiß und der Abwärme der Hardwarelüfter, und in der Nachbarkabine schnarchte ein Typ. Er war zurück im friedlichen Berlin der Gegenwart. Er war zu Hause.
    Es war spät geworden. Seine Augen brannten, und er drehte die Helligkeit seines Pads etwas herunter. Über der Linse des 3D-Projektors flimmerten die futuristischen Straßenschluchten der erdachten Welt von Thought Police , in deren Tiefen eine Handvoll Widerstandskämpfer vor den Einheiten der Gedankenpolizei floh. Meph hatte die Szenerie selbst gestaltet, mit einer von David erstellten Grafikdatei als einziger Vorlage. Im Vordergrund blendete sein Pad Connors Spielwerte und kleine Statusfenster für seine Mitspieler ein.
    »Komm schon, David. Nur noch ein paar Minuten.« Ben sprach wieder normal. Offenbar hatte er den Stift aus dem Mund genommen, mit dem er die Zigarre seines Alter Egos Han zu simulieren pflegte.
    »Sagen wir lieber eine halbe Stunde. So lange brauchen wir mindestens, um aus dem Schlamassel rauszukommen, den Meph uns eingebrockt hat.« Dank des Stimmfilters in ihrer Audioverbindung klang Agnes immer noch dunkel und geheimnisvoll wie Lilith, aber ihr Tonfall war nun der einer streberhaften Schülerin, die statt der erwarteten Eins eine Drei bekommen hatte. Von ihrer MyLife-Seite wusste Meph, dass sie tatsächlich noch zur Schule ging.
    »Meine Stimme geht gleich flöten«, wehrte David ab. »Vergesst nicht, als Spielleiter rede ich so viel wie ihr drei zusammen.«
    Meph gähnte ungeniert in sein Headset. »Ich bin auch froh, wenn wir für heute Schluss machen. Ich bin so müde, wie David sich anhört.« Außerdem wollte er Agnes eins auswischen, weil sie ihn wegen Connors Missgeschick angefahren hatte.
    »Da habt ihr‘s. Danke, Meph. Wir hören uns nächste Woche.« Auf Mephs Bildschirm wechselte der Status von »David (Spielleiter)« von aktiv zu nicht angemeldet .
    Meph verabschiedete sich von Agnes und Ben und unterbrach ebenfalls die Verbindung. Wieder musste er gähnen. Gleichzeitig kribbelte sein Körper vor Unruhe. Die Ereignisse im Spiel und die letzte Rize hatten ihn so aufgedreht,
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