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Schwarzer Tanz

Schwarzer Tanz

Titel: Schwarzer Tanz
Autoren: Tanith Lee
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Bekannten nach einer langweiligen Party vergewaltigt worden. Das Einzige, was sie erwartete, waren Angriffe – auf ihre Intimsphäre, ihre Persönlichkeit. Die Vergewaltigung hatte Rachaela nicht sonderlich aus der Fassung gebracht. Sie streifte sie einfach ab wie eine alte Haut.
    Nach einer halben Stunde verließ sie den Bus und wurde erneut vom Nebel verschlungen. Sie musste jetzt die riesige Grünfläche vor den Wohnhäusern überqueren. Deren Gefahren kannte sie, die fürchtete sie nicht, die waren Realität. Was ihr Furcht einflößte, war etwas anderes.
    Mit dem Nebel war die Angst gekommen, und er hatte ihr auch diesen Brief eingebrockt. Mittags in der Cafeteria hatte sie überlegt, ob sie sich den Nachmittag freinehmen sollte. Doch bisher hatte sie so etwas noch nie getan, noch nicht einmal als sie Grippe hatte, und sie wollte sich dummerweise auch jetzt nicht ihren guten Ruf damit verderben. Sie sparte sich das Blaumachen für irgendeinen perfekten Tag auf, an dem sie durchbrennen würde, um durch malerische Gärten zu wandeln oder einen Film im Kino anzusehen.
    Außerdem wäre der Brief sowieso für sie abgegeben worden. Sie hätte nicht entkommen können.
    Sie ging an einer vor Nässe triefenden Baumreihe entlang. Weiter vorne leuchtete eine Straßenlaterne wie ein lebendiger, bleicher Mond.
    Ein Mann stand vor ihr. Er war plötzlich da. Er war sehr groß, dunkel, vom Nebel umhüllt, gesichtslos.
    Rachaela erstarrte vor Schreck. Dann war der Mann verschwunden. Es war nur ein Baum.
    » Entschuldigen Sie bitte«, sagte eine Stimme. Er stand neben ihr, kleinwüchsig, in schwarzem Mantel und Wollmütze. Sie dachte, er wolle sie um Geld anbetteln, stattdessen fuhr er jedoch fort:
    » Mister Simon ist sehr darauf bedacht, dass Sie bei Lane und Soames vorbeischauen.«
    » Wer sind Sie?«, fragte Rachaela.
    » Ein Freund von Mister Simon.«
    » Lassen Sie mich in Ruhe.«
    » Aber Sie müssen hingehen.«
    Es war nur normal, einer Autoritätsperson Gehorsam zu erweisen, einer anwaltlichen Aufforderung Folge zu leisten. Doch Rachaela ließ ihre Rechnungen unbezahlt, bis die Mahnungen eintrudelten. Ungerührt ignorierte sie die Bittbriefe, die durch ihren Briefschlitz gesteckt wurden, und in denen Geld für hungernde Kinder oder Kranke erbeten wurde.
    » Gehen Sie.«
    Sie rannte nicht weg. Die Wiese endete an einem Bürgersteig, und die Straßenlaterne erfüllte den Nebel mit einem undurchdringlichen Lichtstrom.
    Der dunkle Mann starrte sie an. Er hatte ein fremdländisches Gesicht und eiskalte Augen. Würde er versuchen, Gewalt anzuwenden?
    » Sie werden gehen«, sagte er, » zu Mister Soames.«
    Dann wandte er sich ab und verschwand im Nebel.
    Rachaela überquerte die Straße, und plötzlich radelte ein kleiner Junge wie ein Geist an ihr vorüber.
    Sie stieg die Treppen hoch und schloss die Tür auf.
    Der Nebel kroch in die kahle Halle, über den Steinfußboden und den staubigen Tisch mit der Post.
    Sie fürchtete, noch einen zweiten Brief dort vorzufinden, entdeckte aber lediglich die Telefonrechnung, die für sie keinerlei Bedrohung darstellte, da sie sowieso nie jemanden anrief. Das Telefon hatte sich schon vor ihr in der Wohnung befunden, sonst hätte sie sich gar nicht erst darum gekümmert.
    Rachaela nahm ihre Rechnung und trat in den winzigen, von der Treppe völlig in Beschlag genommenen Vorraum.
    Vor einem Jahr hatte sie noch eine Katze besessen, eine schwarze, rundliche Katze, die zu faul war, um sie bei ihrer Heimkehr zu begrüßen. Die Katze war jedoch schon sehr alt gewesen und einfach im Schlaf gestorben. Rachaela hatte sie eines Morgens auf ihrem Bett gefunden und aus Einsamkeit geweint, doch bis jetzt hatte sie der Geist dieser ersten Katze, den sie manchmal durch den Raum huschen sah, davon abgehalten, sich eine neue zuzulegen.
    Deshalb erwarteten Rachaela auch nur die vertrauten Wände, vom Hausbesitzer cremefarben gestrichen, und der Boden, den er mit zartbeigen Teppichfliesen belegt hatte.
    Rachaelas riesiges Bücherregal quoll über, so dass sich jetzt viele Bücher auch noch an der Wand stapelten, aber das erinnerte sie in keiner Weise an den Laden. Und doch war es ihre Beziehung zu Büchern gewesen, die sie diese Beschäftigung annehmen ließ. Vor der Buchhandlung hatte sie mehrere lockere Jobs gehabt; sie hatte in einem Café bedient, hinter dem Ladentisch eines Stoffgeschäftes gestanden oder ähnliche Gelegenheitsarbeiten angenommen.
    Es war kalt. Rachaela stellte den elektrischen Kamin
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