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Schwarzer Schwan

Schwarzer Schwan

Titel: Schwarzer Schwan
Autoren: H Eckert
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Segnung.
    Endlich spärlicher Applaus, der SPD-Mann sammelte seine Zettel vom Pult und die Vizepräsidentin rief den nächsten Redner auf.
    Lothar Mierscheid, CDU, Abgeordneter des Wahlkreises Neuss eins, Rheinland. Mitglied des Finanzausschusses, eines der vierzehn, die seine Fraktion stellte. Mierscheid ließ sich Zeit auf dem Weg zum Pult, nahm zuerst einen Schluck aus dem Wasserglas und blickte über die mit blauem Stoff bezogenen Stuhlreihen. Weniger als dreißig Abgeordnete waren jetzt noch im Saal – die Frage, ob das Ganze noch als Demokratie durchging, stellte sich Mierscheid schon lange nicht mehr.
    »Meine Damen und Herren, wer in der jetzigen Situation Zweifel an der Redlichkeit und Effizienz der deutschen Finanzwirtschaft sät, um die Bürgerinnen und Bürger aus parteitaktischem Kalkül zu verunsichern, handelt gewissenlos und schadet unserem Land!«
    Mierscheid spulte seine Sprüche ab, ein Manuskript hatte er für solche Beiträge noch nie gebraucht. Er gab Nothbeck Kontra und mimte den unverdrossenen Marktliberalen, als hätte die Finanzkrise nicht auch seine Weltsicht ins Wanken gebracht. Er sprach sich gegen jede Regulierung aus – Aufsichtsräte und Aktionäre wüssten am besten, was gut für ihre Unternehmen sei. Und auch er versuchte sich an den Gesten der Kanzlerin: So groß ist der Fisch – mit gegenläufigem Wackeln der beiden Hände.
    Wieder einmal fühlte sich Mierscheid als Schauspieler in einem Stück, das anderswo geschrieben wurde. Aber immerhin stimmte die Gage.
    »Ich kann nur davor warnen, über das Ziel hinauszuschießen. Jeder Alleingang würde Deutschland als Finanzstandort nachhaltig beschädigen. Aktionismus führt ins wirtschaftliche Abseits und tötet den Aufschwung!«
    Ein paar Fraktionskollegen klopften zustimmend auf ihre Tische, ohne den Blick aus ihren Zeitungen zu heben.
    Mierscheid sah hinüber zur Regierungsbank, wo Staatssekretär Malte Lichtenberg fast allein die Stellung hielt. Mierscheid gingen Paulas Worte nicht aus dem Sinn: Erinnerst du dich noch an früher?
    Die Neunziger: Im Orts- und Kreisverband der CDU hatte sich Mierscheid durch rebellische Reden gegen Helmut Kohl hervorgetan. Die Partei sei vom Mief zu befreien und in die Zukunft zu führen – was hatte er sich aufgeregt, als der Alte sich weigerte, seine Spender offenzulegen! Noch weiter zurück, die Achtziger: Abi und Studium, Öko-Flausen im Kopf. Gemeinsam mit Malte hatte er Krötenzäune gebaut und die Viecher zur Laichzeit in Eimern über die Landstraße getragen.
    Heute bedeutete Krötenwanderung auch für Mierscheid, möglichst viele Euros auf das eigene Konto abzuzweigen.
    Er fing Maltes Blick auf. Der drahtige Mann, der früher sein bester Freund gewesen war, wirkte müde, fast lethargisch. Malte Lichtenberg, siebenundvierzig Jahre alt, beamteter Staatssekretär im Finanzministerium, galt bei den meisten als Wunderknabe der Regierungskoalition, nicht nur bis zum Banken-Crash von 2008. Obwohl Lichtenberg der SPD angehörte, hatte man ihn nach der letzten Bundestagswahl auf dem Posten behalten, da sich die Geldwirtschaft für ihn stark gemacht hatte. Er hatte die Münchner Hypo Estate verstaatlicht, einen Immobilienfinanzierer, der kurzzeitig sogar gleichauf mit Deutscher Bank und RheinBank zum Dax-Konzern aufgestiegen war, und damit einen weit größeren Zusammenbruch verhindert – zumindest hatten sich sämtliche Beteiligte auf diese Sprachregelung verständigt.
    Schlappe einhundertdreißig Milliarden hatte Malte Lichtenbergs Coup die Steuerzahler bislang gekostet. Grüne und Linkspartei witterten darin einen Skandal. Ein Untersuchungsausschuss stand bevor und Mierscheid legte Frantzens Nachricht dahin gehend aus, dass er auch dazu etwas sagen sollte.
    Versäumen Sie es bitte nicht, unseren Standpunkt einzubringen – immerhin zählte die RheinBank AG zu den Profiteuren der damaligen MHE-Rettung und hatte kein Interesse, Lichtenberg zu opfern. Und damit stand auch fest, was Mierscheid vertreten würde.
    Als Finanzpolitiker war er den großen Bankinstituten der Republik, vor allem des Rheinlands, ohnehin eng verbunden. Zudem gehörte er nicht nur dem Beirat der RheinBank-Stiftung an, sondern auch dem Kommunalen Gesprächskreis Nordrhein sowie dem Kuratorium Strukturpolitische Fragen – allesamt Gremien, die am Tropf des großen Geldkonzerns hingen, üppig dotierte Posten. Man kennt sich, man hilft sich.
    Ebenso klar war ihm, welches Interesse Paula verfolgte. In der Neusser Clique war sie
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