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Schwarzer Schwan

Schwarzer Schwan

Titel: Schwarzer Schwan
Autoren: H Eckert
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Aufschwung der Wirtschaft. Und so weiter.«
    Clemens starrte seinen Chef an, ohne etwas zu notieren.
    »Das kriegst du doch hin, oder?«, fragte Mierscheid.
    »Aber meinen Sie nicht, man sollte …«
    »Was denn, Clemens?«
    »Wenn … Na ja, wenn die Politik die Banken gewähren lässt, ist die nächste Krise doch programmiert. Die großen Geldinstitute sollten zerlegt werden! Trennung von Kundengeschäft und Investmentbereich, das fordern alle unabhängigen Experten. So groß, wie die wichtigen Banken jetzt sind, kann jede einzelne von ihnen den Staat erpressen, weil sie als systemrelevant gilt und niemals pleite gehen darf!«
    Mierscheid zweifelte am Verstand seines Referenten. Unabhängige Experten – wo gab es denn so etwas? Er starrte zurück.
    Der Junge machte sich an die Arbeit. Na also.
    »Und nimm den Satz, in dem ich vor nationalen Alleingängen warne, als wörtliches Zitat und schick die Erklärung über den großen Verteiler raus. Die Wähler zu Hause sollen wissen, dass sich ihr Abgeordneter einsetzt.«
    Der Referent seufzte. Mierscheid ignorierte es.
    In seinem Zimmer öffnete er die Klappe des Sideboards unter dem gerahmten Sankt-Quirinus-Stich und holte den achtzehn Jahre alten Châteauneuf-du-Pape heraus. Er kredenzte sich ein Glas und nahm es mit an seinen Schreibtisch.
    Er hängte das Sakko über die Stuhllehne, legte die Füße hoch, um den Kreislauf zu beruhigen, und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Dann wählte er die Nummer des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbands, ließ sich mit dem Geschäftsführer verbinden und gab ihm die gewünschte Zusage für eine kleine Rede im Hinterzimmer des Café Einstein in der nächsten Woche. Die Banker aus dem Rheinland spendierten sich und ausgewählten Journalisten einen Berlintrip inklusive eines Treffens mit dem Fraktionsvorsitzenden der Union. Auch das würde Mierscheid organisieren – und der Verband sich mit einem dicken Umschlag bei ihm revanchieren.
    »Stimmt es, dass die Kanzlerin mit der Börsenumsatzsteuer liebäugelt?«, erkundigte sich der Mann aus der Heimat nun.
    »Ach was. Nach den kommenden Landtagswahlen wird davon keine Rede mehr sein.«
    Der Verbandsfuzzi war zufrieden.
    Mierscheid lockerte seinen Krawattenknoten, nahm einen weiteren Schluck vom Rotwein und rief den Neuss-Grevenbroicher Anzeiger an, um sicherzugehen, dass Clemens die Presseerklärung nicht umsonst verschickte.
    Der Chefredakteur versprach eine halbe Seite – auf das Lokalblatt war Verlass.
    Schließlich sortierte Mierscheid den Packen Post auf seinem Tisch. Die Einladungen für den Abend interessierten ihn am meisten.
    Feines Papier, geprägte Firmenlogos, persönliche Anrede. Es waren Kleinigkeiten, aber sie machten Mierscheid das Leben im Hauptstadtalltag erträglich.
    Der Energiekonzern Vattenfall veranstaltete eine Vernissage in Diekmanns Austernbar , wo eine namhafte Fernsehtussi aus ihrem Buch über den ›Kulturverfall in der Politik‹ lesen würde – bei den Treffs des Stromerzeugers ging es stets um das Schöne, Gute, Wahre. Mierscheid fragte sich, ob er schon wieder Volker Paschke begegnen wollte, dem Strippenzieher der Atomlobby.
    Doch er liebte Austern.
    Der Verband der Automobilindustrie lud zur Vorpremiere von La Traviata in die Staatsoper Unter den Linden ein. Immer noch ein Dankeschön für die Abwrackprämie – wer wusste schon, ob sie nicht bald wieder nötig würde. In der Oper träfe Mierscheid garantiert mehr Abgeordnete als im Plenarsaal. Allerdings hinterher vielleicht auch die scharfe Sopranistin, die als Violetta angekündigt war.
    Verdi gefiel ihm ebenfalls.
    Und schließlich der Wilhelm-Noske-Preis. Alljährlich eine hässliche Statue für eine ›gesellschaftspolitische Leistung, die Horizonte öffnet‹, wie es im Hochglanzfaltblatt hieß. Preisträger und Laudatoren waren meist Schauspieler, Popsternchen und Exkanzler – die übliche Prominenz, mit der sich Veranstalter gern schmückten.
    Mierscheid hasste langweilige Lobreden.
    Aber den Wilhelm-Noske-Preis verlieh die Deutsche Börse AG. Und deren Vertreterin in der Bundeshauptstadt hieß Paula Busch.
    Das Telefon schrillte, Soltau war dran, einer der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden von CDU/CSU. Mierscheid stellte sich das Gesicht des Kollegen vor: schmallippig, blassblaue Augen, von hoher Stirn bekrönt.
    Soltau klang noch mürrischer als sonst. »Wir suchen einen Obmann für den neuen Untersuchungsausschuss und …«
    »Der Ausschuss beginnt am Montag – und ihr
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