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Schwarzer Schwan

Schwarzer Schwan

Titel: Schwarzer Schwan
Autoren: H Eckert
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habt noch keinen Obmann?«
    »Wir haben … äh … wir haben an dich gedacht, Lothar.«
    Mierscheid war überrascht. Obmann zu sein war etwas für Leute, die nach Höherem strebten. Mierscheid wirkte lieber im Hintergrund. Und Soltau gehörte nicht gerade zu seinen Freunden – irgendwo war da ein Haken.
    »Machst du’s?«, wollte Soltau wissen.
    »Ich dachte, Katholiken aus Nordrhein-Westfalen gelten derzeit als überrepräsentiert.«
    »Spielt keine Rolle.«
    »Soll ich etwa die Wahrheit über Lichtenberg und die Münchener Hypo Estate aufdecken?«
    »Bitte?«
    »Nur ein Scherz.«
    »Pass auf, Lothar: Es gibt einen Deal mit der SPD. Wir unterstützen nicht nur Malte Lichtenberg, sondern schonen auch seinen damaligen Chef aus Zeiten der Großen Koalition. Im Gegenzug werden die Sozis darauf verzichten, die Kanzlerin vor den Ausschuss zu zerren. Das käme so kurz vor den nächsten Wahlen nicht gut rüber. Noch eine Pleite wie in Baden-Württemberg kann sich die Partei nicht leisten.«
    »Und wieso ich?«
    »Das musst du die Kanzlerin fragen.«
    »Ach, die Kanzlerin höchstpersönlich?«
    »Angeblich ist dein Name auf dem Geburtstagsdinner gefallen, das sie für Dingendorff von der RheinBank ausrichten ließ.«
    Parteifreund Soltau hält nichts von meiner Berufung, hörte Mierscheid heraus.
    »Also, machst du’s?«, fragte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende noch einmal barsch.
    Mierscheid versprach, darüber nachzudenken.
7.
    »Und wir werden viel Spaß miteinander haben, Leonie!«
    Was will der Typ?
    Scheiße, ich bin gefangen! Ein Eisenring um mein Handgelenk. Eine verdammte Kette. Das andere Ende ist eingemauert. Ich zerre daran. Mein Herz pocht, mein Kopf droht zu explodieren. Vor meinen Augen flimmert es. Ich schnappe nach Luft und trotzdem ist mir, als müsste ich ersticken.
    Der Mann reagiert nicht im Geringsten. Er packt Lebensmittel in einen Kühlschrank. Äpfel, Joghurt, Mineralwasser. Dann hält er etwas hoch, um es mir zu zeigen.
    Es gelingt mir, den Blick scharf zu stellen.
    Woher weiß der Kerl, dass ich Müsliriegel mit Honig-Cranberry-Erdnuss-Füllung mag? Ich schreie aus vollem Hals. Das Schwein soll mich losmachen, sofort!
    Er strahlt mich an wie ein neues Auto oder etwas, was man sich ganz arg zu Weihnachten gewünscht und tatsächlich gekriegt hat.
    Mama, Tante Hanni, holt mich hier raus!
    In meinem Leben hatte ich noch nie so große Angst.
8.
    In der Komischen Oper an der Behrenstraße herrschte Eingangskontrolle wie bei einem Staatsbesuch, aber immerhin gab es keine Schlange mehr – die Gala mit der Preisverleihung hatte längst begonnen.
    Mierscheid ließ die Abtast-Prozedur über sich ergehen und eilte auf dem weinroten Teppich der Freitreppe nach oben, wo er ein zweites Mal seine Einladung vorzeigen musste.
    Dann atmete er tief durch und betrat den Saal.
    Vorn, unter den Scheinwerfern, leuchteten Blumengebinde und ein goldenes Pult. Der Redner – war das nicht Steinmeier? An der Bühnenrückwand die Projektion einer rotierenden Preisstatue, dazu das Logo der Deutschen Börse AG und ein Schriftzug: Visionen und Vorbilder, Wilhelm-Noske-Preis 2011 .
    Ein rascher Blick ins Programmheft: Michail Gorbatschow, EU-Kommissionspräsident Barroso sowie ein Fußballspieler aus München erhielten heute den Preis für das Öffnen von Horizonten. Der Saal war gut gefüllt. Mierscheid blickte auf hochtoupierte Mähnen und perlenbehängte Hälse, auf Anzugschultern voller Schuppen. Hinter ihm ragten zwei Ränge empor, doch die Gesichter dort konnte er im Dunkeln nicht erkennen.
    Irgendwo war Paula.
    Und vermutlich war auch Malte hier.
    Mierscheid gierte nach einer Zigarette und beschloss, dass er keine Lust hatte, die Zeit bis zur Eröffnung des Büfetts auf seinem Stuhl abzusitzen.
    Im Foyer verbreiteten die Angestellten des Caterers Hektik. Sie fuhren Edelstahlbehälter zum Warmhalten von Speisen auf, klapperten mit Geschirr, zupften Tischdecken zurecht. Als Mierscheid einen Glimmstängel aus der Packung schüttelte, eilte ein Security-Gorilla herbei und schickte ihn den Flur entlang. Ich hätte doch zu der Veranstaltung von Vattenfall gehen sollen, dachte Mierscheid.
    Er stieß auf eine Balkontür. Der Blick ging auf die wenig ansehnliche Rückfront des benachbarten Hotels. Darüber leuchteten Kondensstreifen im Licht der untergehenden Sonne. Mierscheid trat nach draußen und steckte seine Zigarette an.
    Als er bemerkte, dass er nicht der einzige Raucher auf dem schmalen Balkon war, schreckte
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