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Schwarzer Schwan

Schwarzer Schwan

Titel: Schwarzer Schwan
Autoren: H Eckert
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nur mitzuschwimmen, sich dabei einen Namen zu machen und nebenher einen guten Bonus einzufahren. Sie war zweiunddreißig. Höchste Zeit, auf sich aufmerksam zu machen, wie sie fand. Sie durfte nur keinen Fehler begehen.
    Mehrere Bieter waren scharf auf den US-Konzern, trotz der anhaltenden Krise auf dem Kalimarkt. Die Vorteile einer Übernahme lagen auf der Hand: verbesserte Marktposition, Vervollständigung der Produktpalette, Synergien in Produktion, Vertrieb und Logistik – wer jetzt nicht aktiv wurde, konnte selbst unter die Räder geraten.
    Wieder eine E-Mail: Die Mitteldeutsche Kali AG bat um günstigere Kreditkonditionen. Das Pokern hörte nicht auf.
    Hanna überlegte, welchen Spielraum sie noch hatte. Gab sie nach, würde die RheinBank zu wenig an der Fusion verdienen. Blieb sie stur, drohte ein kaltblütigerer Konkurrent das Mandat der Mitteldeutschen zu gewinnen. Wie Hanna es auch drehte und wendete, sie balancierte auf schmalem Grat, zumal das Risiko bestand, dass sich der Kunde mit dem Firmenzukauf überhob. Nach Hannas Berechnungen würde das Targetunternehmen genügend Profit abwerfen, um aus dem Cashflow die Kreditkosten zu stemmen. Aber wer konnte für die Erfüllung aller Planungen garantieren? Ein fauler Milliardenkredit wäre fatal für die RheinBank und das von ihr geführte Konsortium, selbst wenn ein Kali-Konzern als Sicherheit zufiel – im Worst Case war dieses Pfand schon morgen deutlich weniger wert und bescherte massive Ausfälle.
    Das Telefon schrillte.
    »Hanna Kaul, RheinBank AG, Structured Corporate Finance.«
    »Hi, Hanni!« Britta, ihre ältere Schwester.
    Für die hatte sie jetzt wirklich keine Zeit.
    »Ich ruf an wegen …« Die Verbindung war schlecht, Hanna verstand nur Bruchstücke. »… Leonie …«
    »Britta, wo steckst du? Ich hör dich kaum.«
    »… Bescheid geben …«
    »Du, Britta, entschuldige, aber lass uns heute Abend telefonieren. Ich bin gerade ziemlich im Stress.«
    Aus dem Hörer kam nur noch Knistern und Knacken, Hanna legte auf. Sie blickte auf das gerahmte Urlaubsfoto neben dem Telefon: Nebel über Reisfeldern, bewaldete Hügel, der Himmel hellblau und rosa. Auf dem Höhepunkt der Bankenkrise war sie nach Nordthailand gefahren, um in Yogakursen zu lernen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
    Ihre Drei-Sekunden-Meditation: Sich in die Landschaft versenken …
    Gedanken freiräumen …
    Ruhe finden …
    Hanna griff nach dem Dossier und schlug noch einmal die Key Facts nach: Umsatz, Ergebnis vor Zinsen und Steuern, Brutto-Cashflow. Investitionen und Abschreibungen. Working Capital, Personalaufwand, EBIT-Marge und Enterprise Value. Return on Investment, Value Added. Und: Restrukurierung, Workout, Kreditabschreibung. Zum Teil kannte sie die Zahlen bereits auswendig.
    Auch mit der technischen Seite hatte sich Hanna vertraut gemacht: Heißverlösung, Flotation, Elektrostatik, Trocknung und Granulierung. Und sie hatte die Geschäftsprognosen der einzelnen Produktsparten studiert: Steinsalz, Sylvin, Carnallit und Kieserit. Spezialdünger, Mehrstoffdünger, Pflanzenschutz- und –pflegemittel. Speise-, Gewerbe-, Industrie- sowie Auftausalze – Bombenumsätze im deutschen Winter.
    Hanna Kaul, die Kali-und-Salz-Koryphäe.
    Kein Zweifel: Potassium Global und Mitteldeutsche waren gesund. Es gab keine versteckten Risiken. Vor allem die Landwirtschaft der Schwellenländer brauchte in zunehmendem Maß die Düngemittel der Kaliindustrie. Der Megatrend sprach für die Branche, auch wenn der Weltmarkt derzeit noch schwächelte. Die RheinBank konnte mit dem geplanten Großkredit nur gewinnen.
    Ihr Monitor zeigte den Eingang einer neuen E-Mail an. Absender war Martin, ein Kollege, der ihr bei dem Deal half. Hanna ignorierte die Nachricht. Martin war ein Zweifler, der stets Schwachpunkte zu entdecken meinte. Einen maroden Maschinenpark, unflexible Lieferverträge, Tarifstreitigkeiten. Die Gutachten der Anwälte und Wirtschaftsberater hatten ihn jedes Mal widerlegt. Dass deren Berichte noch nicht vollständig vorlagen, machte Martin nervös.
    Damit half er ihr nicht weiter, Hanna musste die Anfrage aus Göttingen in der nächsten Stunde beantworten. Jederzeit konnte eine andere Bank das Mandat erhalten oder ein Konkurrent der Mitteldeutschen zuschlagen.
    Hanna rief einen Juristen von Smith-Dudley an, einer Wirtschaftskanzlei, die weltweit für die RheinBank tätig war. Während der Anwalt sich meldete, traf die nächste E-Mail ein, die Hanna nicht ignorieren konnte:
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