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Schwarzer Schwan

Schwarzer Schwan

Titel: Schwarzer Schwan
Autoren: H Eckert
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Lilly ließ sie aufschnappen.
    Sie sahen hinein. Papierkram. Ein leeres Brillenetui und ein Ladegerät fürs Handy. Kein Laptop. Von wegen Görenfotos auf einer Festplatte.
    Sie mussten wohl noch öfter ran.
    Lilly zog die Stirn kraus. »Vielleicht sollten wir es doch eher so machen, wie ich es vorgeschlagen habe.«
    »Bewaffnet? À la Bonnie und Clyde?«
    Oder wie Meinhof und Baader, dachte Lilly. Den Massen ein Beispiel geben. Das kapitalistische System erschüttern.
    »Mit den beiden ist es nicht gut ausgegangen«, sagte Patrick.
    »Na und?«, gab Lilly zurück. »Was haben wir schon zu verlieren?«
3.
    Als Dominik Roth sein Spiegelbild betrachtete, fragte er sich, warum ausgerechnet er zu denjenigen gehörte, die schon mit Ende zwanzig jeden Tag ein weißes Haar mehr bekamen. Dieses Mal an der Schläfe, er zupfte es aus.
    Am Stress bei der Arbeit kann es nicht liegen, dachte er.
    Duschen, Tee kochen, das allmorgendliche Müsli mit der Tageszeitung. Aus dem Schlafzimmerschrank zog er ein kurzärmliges Hemd. Der Wetterbericht hatte Sommerhitze vorhergesagt.
    Dominik wandte sich an das Foto seiner Frau, das auf dem Nachtkästchen stand. »Weißt du noch, damals, als ich bei der Polizei anfing?«
    Natürlich erwartete er nicht, dass Nelly ihm antwortete. Aber er musste ab und zu reden. Auch nach drei Jahren war ihm die Stille in der Wohnung nicht geheuer.
    Sein Leben trat auf der Stelle. Es graute ihm davor, zum Präsidium zu fahren.
    Karo, die Schreibkraft des KK 21 – Betrug, Glücksspiel und Beamtendelikte –, telefonierte, als Dominik das Geschäftszimmer betrat. Sie winkten sich einen Gruß zu und Dominik schnappte sich die Umlaufmappe. Im Stehen las er, was andere Dienststellen aktuell beschäftigte.
    Eine Serie von Einbrüchen in Kaiserswerther Einfamilienhäuser hatte in der Nacht ihre Fortsetzung erfahren. Ein etwa achtzehnjähriger Exhibitionist erschreckte im Zoopark kleine Mädchen. Und aus einer Werkstatt im Stadtteil Eller war ein hundertvierzig Kilo schweres Reifenwuchtgerät gestohlen worden – alle Achtung. In Unterrath hatte ein bewaffneter Mann einen Supermarkt überfallen, war aber ohne Beute abgehauen, nachdem es der um Hilfe schreienden Kassiererin gelungen war, sich in einen Nebenraum einzuschließen. Dominik musste an Nelly denken.
    Er legte die Mappe zurück. Alles war spannender als der Kram, mit dem er täglich zu tun hatte. Er leerte sein Eingangsfach.
    Karo hatte ihr Telefonat beendet. »Kurt hat gefragt, wann du dein Schießtraining hast.«
    »Und, wann ist es?«
    »Morgen Nachmittag um vierzehn Uhr. Weißt du doch, Dominik. Hab ich dir auch ins Fach gelegt.«
    Kurt Dell war der Dienststellenleiter. Und das Üben mit der Waffe war in letzter Zeit zum Politikum hochgejazzt worden. Eine auflagenstarke Boulevardzeitung hatte herausgefunden, dass einige Beamte nur alle Jubeljahre trainierten. Der Artikel hatte für Wirbel gesorgt. Stress im Ministerium, Druck auf die Behördenleitung, ein Wust an Berichten und Memos und am Ende eine Anordnung: Ausnahmslos jeder Polizeibeamte musste nun alle zwölf Monate einen bestandenen Schießtest nachweisen.
    Dominik hatte sich seit der Sache mit Nelly vor dem Schießen gedrückt. Er konnte sich ohnehin nicht vorstellen, wozu er bei seiner derzeitigen Arbeit die Walther P99 benötigen sollte.
    In seinem Büro riss er das Fenster auf, um den Mief abziehen zu lassen, den Akten und alte Möbel verströmten. Schon jetzt war es warm. Auf dem Kalenderblatt des Tages stand ein Spruch von Kurt Tucholsky: Es gibt vielerlei Lärm, aber nur eine Stille.
    Die musst du erst einmal finden, dachte Dominik. Er ließ den Papierkram auf den Schreibtisch klatschen. Draußen dröhnte ein Bus vorbei, Autos hupten. Dominik schloss das Fenster wieder.
    Es klopfte, die Tür ging auf und Kurt streckte seinen verschwitzten, runden Kopf herein. Er zeigte mit dem Finger auf Dominik. »Morgen Nachmittag, ja?«
    »Schon gut, Kurt. Ich stell mir vor, das Ziel wärst du, dann treffe ich garantiert.«
    Der Dienststellenleiter hob den Daumen und verzog sich wieder.
    Dominik kippte den Rest Wasser aus dem Behälter der Espressomaschine auf seine Topfpflanze, die er von seinem Vorgänger übernommen hatte und die wie ein roter Rasierpinsel blühte. Aus dem Vorraum der Toilette holte er frisches Wasser.
    Während die Espressomaschine ihr automatisches Spülprogramm absolvierte, überflog Dominik die neuen Anzeigen. Vierzehn Fälle waren es heute. Seit eine Verbrauchersendung des WDR
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