Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Schwan

Schwarzer Schwan

Titel: Schwarzer Schwan
Autoren: H Eckert
Vom Netzwerk:
Abteilungsleiter Ahrendt erwartete sie zu einem Meeting in fünf Minuten.
    Auch das noch. Hatte Martin den Alten mit seinen Zweifeln angesteckt?
    Während der Smith-Dudley-Anwalt über Unterschiede zwischen deutschem und amerikanischem Unternehmensrecht dozierte, klemmte Hanna den Hörer zwischen Ohr und Schulter, um die Unterlagen einzusammeln, die sie für das Gespräch mit ihrem Chef brauchen würde.
    Ein leises Tuten zeigte an, dass ein zweiter Anrufer in der Leitung wartete. Weil der Anwalt ihr offensichtlich nicht weiterhelfen konnte, würgte Hanna ihn ab – und bereute es im nächsten Moment.
    »Endlich ist der Empfang gut«, tönte Britta aufgekratzt aus dem Hörer.
    »Hör zu, Schwesterherz …«
    Britta plapperte einfach weiter. »Du weißt doch, Jan und ich fliegen morgen in aller Herrgottsfrühe, und du wolltest Leonie solange zu dir nehmen. Sag mir, wann wir vorbeikommen können. Leonie sitzt neben mir. Ich habe auf Mithören gestellt.«
    »Hallo, Tantchen!«, krähte das Mädchen aus dem Hintergrund.
    Auch das noch. Hanna hatte die Sache völlig verdrängt. Für die meisten Menschen begann jetzt die Ferienzeit. Britta, Lehrerin und alleinerziehende Mutter, wollte mit ihrem neuen Lover einen romantischen Kurztrip nach Venedig unternehmen und Leonie währenddessen bei ihrer Tante parken. Hanna liebte ihre Nichte, auch wenn sie derzeit in einem schwierigen Alter war. Und sie gönnte ihrer Schwester das Liebesglück. Aber Britta kam damit im denkbar schlechtesten Augenblick. Hanna überlegte, wie sie die beiden noch abwimmeln konnte.
    »Oder hast du uns etwa vergessen?«, fragte Britta – nur halb im Scherz.
    »Nein, nein. Hallo, Leonie. Ein andermal würde ich mich sehr freuen, aber im Moment komme ich vor Mitternacht nicht nach Hause.«
    »Du lässt dich zu sehr ausbeuten von deiner Bank, Hanni!«
    »Ich bin nun mal keine Beamtin.«
    »Hör zu, wir kriegen das schon hin. Ich hab ja deinen Zweitschlüssel. Du musst dich um gar nichts kümmern. Leonie kocht dir etwas Leckeres zum Abendessen.«
    »Pizza!«, rief das Mädchen dazwischen.
    Hanna seufzte. »Nicht nötig. Wie gesagt, es wird Mitternacht.«
    »Danke Schwesterherz, ich wusste, dass ich auf dich zählen kann.«
    »Bis später, Tantchen!«, ergänzte Leonie.
    Hanna betrachtete den Hörer, dann legte sie ebenfalls auf. Warum habe ich mich nicht durchgesetzt?
    Und schon klingelte das Telefon erneut.
    Diesmal kontrollierte sie das Display. Eine Nummer mit Göttinger Vorwahl. Der Kunde.
    Schnell ein Blick auf das Foto: Nebel, Hügel, Sonnenaufgang. Ruhe und Ordnung der Gedanken.
    Hanna holte tief Luft und schaltete die Synapsen ihres Gehirns wieder auf Kalimärkte und Kreditkonditionen.
    Dr. Schmidt, Finanzvorstand der Mitteldeutschen Kali AG, war höchstpersönlich in der Leitung. Hanna mochte Schmidts Stimme. Sie war voller Selbstbewusstsein und Verlässlichkeit.
    Doch nun klang der Mann wie verwandelt. »Haben Sie unsere Mails bekommen?«
    »Ich schreibe gerade die Antwort.«
    »Über Industriekontakte habe ich eben erfahren, dass die Chinesen ihr Angebot erhöht haben, weil auch sie in den USA Fuß fassen wollen. Sie müssen uns wirklich helfen, Frau Kaul.«
    »Inwiefern?«
    »Wir brauchen dringend einhundert Millionen mehr, um mitzuhalten! Die RheinBank …«
    Hanna unterbrach: »Bei aller Freundschaft, Herr Dr. Schmidt, aber das sprengt Ihre Verschuldungsfähigkeit. Ich sehe nicht, wie Sie die Rückzahlung innerhalb der Kreditlaufzeit darstellen könnten.«
    »Dann will ich mit Ihrem Chef reden!«
    »Von ihm bekommen Sie höchstens zu hören, dass ich Ihnen schon viel zu weit entgegengekommen bin. Ich habe den Fall intern bereits mehrfach verteidigen müssen.«
    »Hören Sie, wenn wir die momentane Wachstumschance nicht wahrnehmen, kann es eng für uns werden, angesichts der weltweiten Absatzprobleme.«
    »Bitte? Und wie war das mit dem ›Megatrend‹? Laut Ihren Expertisen springt die Konjunktur im Düngemittelsektor doch wieder an!«
    »Ja, ganz sicher. Es scheint sich nur zeitlich ein wenig nach hinten … Aber auch wenn es nicht ganz so schnell geht, wie von den Volkswirten erwartet, als Nummer zwei weltweit werden wir …«
    »Nicht so schnell – was heißt das?«
    »Wir müssen die Amerikaner schlucken, sonst werden wir geschluckt. Denken Sie an die Arbeitsplätze in den deutschen Bergwerken!«
    Heuchler, dachte Hanna. Du hast nur deinen Vorstandsposten im Kopf. Hanna versuchte, ruhig zu bleiben. Ihr war klar geworden: Die anderen Banken
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher