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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut
Autoren: Heinz G. Konsalik
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haben Sie Hoffnung, unsere Freunde Dubois und Niehoff auch noch bis New York auf die Beine zu stellen?«
    »Bestimmt«, sagte Dr Dahl mit Haltung. »Sie erholen sich überraschend gut.«
    Und dann war es Nachmittag.
    Das Lido-Deck war abgesperrt, rund um den Swimming-pool standen Klappstühle. Hinter der Bar hockten Stewards in ihren weißen Jacken. Sie sahen nett und freundlich aus, aber in den Fächern der Bartheke lagen entsicherte Gewehre. Das gesamte Offizierscorps der ›Ozeanic‹ war anwesend, bis auf den III. Offizier, der Brückendienst hatte. Selbst die Ingenieure, die sonst im Bauch der riesigen, schwimmenden Stadt verborgen leben, hatten weiße Uniformen angelegt und standen an der Reling. Kapitän Selbach wollte auf völlige Sicherheit gehen: für jeden Passagier ein Augenpaar der Besatzung. Noch ahnte niemand, was kommen würde, aber Selbach war sich sicher, daß es eine Sensation geben würde.
    Dr. Dahl fuhr in einem Rollstuhl Heinz Niehoff heran. Sam Hopkins begrüßte ihn mit ausgebreiteten Armen. »Die Kunst unseres Doktors ist zu bewundern!« schrie er. »Sie kommen zu uns zurück, Mr Niehoff. Noch schlapp auf den Beinen, was?«
    »Ja.« Niehoff nickte schwach. Sein Blick flog zu Graf Sepkinow. Er saß in einem Korbsessel, umgeben von seinen rotbefrackten Lakaien. Welche Gedanken mochten jetzt in Niehoff toben? Er sah seine Peiniger, den Mann, der ihm die glühenden Nadeln ins Fleisch getrieben hatte, den anderen Russen, der ihn mit kaltem Wasser immer wieder aus der Ohnmacht herausriß. Daneben der würdige Greis mit dem flatternden, weißen Bart, der zaristische Graf aus Petersburg, der letzte Gentleman, von dem niemand wußte, was dahintersteckte.
    Frau Michaelsen war trotz ihrer Abneigung auch noch gekommen. Sie saß in ihrem Rollstuhl wie zu einem Fest. Sie trug ein mit Goldfaden durchwirktes schwarzes Kleid, eine vornehme, alte Dame. Über das weiße Haar hatte sie einen spanischen schwarzen Spitzenschleier gelegt. Hinter ihr, wie immer fahl und bleich, Käthe Peine, die Pflegerin. Ein armes Geschöpf, das Tag und Nacht für die Gelähmte bereit sein mußte.
    Völlig fehl am Platze fühlte sich Margret Goltz. Sie hatte Sam Hopkins gegen morgen aus ihrer Kabine geworfen, so wie man einen alten, verrotteten, stinkenden Scheuerlappen vor die Tür wirft. Nun flirtete sie mit dem II. Offizier, warf ihm strahlende Blicke zu und dehnte den Oberkörper in der Sonne, daß die Bluse fast platzte. Für sie bestand die Welt nur noch aus zwei Tagen – dann stand am Quai von New York die Tante und nahm sie mit in einen alten, riesigen, dumpfen Palast nach Pennsylvania. Dort gab es nur Diener und Handwerker, für die man sich interessieren konnte. Vielleicht auch ab und zu einen der Söhne der alten Siedlergeschlechter. Aber war das Freiheit? Freiheit, wie sie Margret genossen hatte, einem Rauschgift gleich?
    Um 15.30 Uhr erschien Dr Franz Hergarten mit Sybilla Odenthal. Er stellte sich hinter eine Art Rednerpult, das in der Schiffsschreinerei schnell zusammengehämmert worden war, und legte seine schwarze Aktentasche auf die schräge Fläche. Er stand nahe der Reling. Hinter ihm fiel es senkrecht ab zum schäumenden Meer.
    »Meine Damen und Herren«, sagte Hergarten laut, als sich das leise Stimmengemurmel gelegt hatte und alles auf ihn blickte. »Sie haben meiner Einladung Folge geleistet, obwohl Sie nicht wissen, was Sie erwartet. Ich danke Ihnen, und ich danke besonders einem unter Ihnen, den ich nicht kenne, aber den ich besonders herzlich willkommen heiße. Sie sind mein Ehrengast.«
    Unter den über fünfzig Passagieren entstand eine leichte Unruhe. Man sah sich um, blickte sich gegenseitig an. Die Augen fragen: Sind Sie es? Die Offiziere und Stewards beobachteten ihre Passagiere, Sybilla drückte ihre Handtasche an sich. Ihre Handfläche legte sich über den harten Gegenstand, der sich durch das weiche Leder drückte.
    »Ich mußte mich Ihnen erst vorstellen«, fuhr Dr Hergarten fort. Er wirkte in diesen Minuten ganz anders als sonst. Er war fast fröhlich, losgelöst von allen Problemen, heiter und jungenhaft. Er legte beide Hände auf seine Aktentasche und sah sich im Kreise seiner Zuhörer um. Lauter bekannte Gesichter. Die Hoffnung, ein paar unbekannte zu sehen und darauf zu schließen, daß dies der gnadenlose Mörder sein könnte, zerrann. Also saß er unter diesen bekannten Gesichtern, sah zu ihm hoch, fragend, lauernd, auf dem Sprung. Ein merkwürdiges, das Herz wie mit Eisenklammern
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