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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Nacht verlief wider Erwarten ruhig. Das Leben auf der ›Ozeanic‹ ging weiter, unbeschwert von allen Problemen, die auf den Schultern von ein paar Männern lasteten. Die Stewards und Zahlmeister hatten Anweisung bekommen, das fröhliche Treiben an Bord fortzusetzen und bis zum Eintreffen des Flugbootes der Polizei den Passagieren das Gefühl zu geben, die luxuriöseste Woche ihres Lebens durchtanzt und durchliebt zu haben.
    Nur noch zwei Tage bis New York! Nur noch zwei Tage und zwei Nächte, bis das Häusermeer von New York alles verschluckte, bis man mit einem Händedruck auseinanderging und wußte, man sieht sich nie wieder. Die acht Tage an Bord des schwimmenden und singenden Hotels, sie würden Erinnerung werden, ein Gedanke mehr zurück an Stunden, die nie wiederkehrten. Die Bordfeste in den Salons und Restaurants, die verschwiegenen Stunden an Deck und in den gedeckten Promenaden, die Umarmungen in den Kabinen, das Vergessen von gestern und morgen, das herrliche freie Leben, dieser Tanz auf dem Vulkan, durch alle Flammen von Leidenschaft – das alles wich bald einem grauen Alltag, wurde Geheimnis der Seele, versenkte sich tief ins Herz. Später einmal konnte man zurückblicken: Die Fahrt mit der ›Ozeanic‹, die Jungfernfahrt nach New York … ach ja, herrlich war sie, glückliche Tage waren es. Und man würde in die Ferne blicken und an so manches denken.
    An Bord wurde der große Abschlußball vorbereitet. Die Stewards und Matrosen schmückten das Schiff über die Toppen. Fahnengirlanden wehten und knatterten im Wind. In den Salons verwandelten riesige Blumenarrangements die Säle zu üppigen Treibhäusern. In den Küchen herrschte Hochbetrieb; man hörte es an dem Schreien, das kurz über die Gänge wehte, wenn sich die Türen zum Küchentrakt öffneten. Das berühmte kalte Büffet der ›Ozeanic‹ wurde vorbereitet; ein kulinarischer Augenschmaus, wie man ihn sonst kaum wiedersieht. Vielleicht im Waldorf Astoria in New York, aber dort kostet es das Zehnfache.
    Ganz anders sah es in der Kapitänssuite aus. Dort hatte man ständige Funkverbindung mit New York und Hamburg. Die normale Polizei war ausgeschaltet worden; um die Passagiere der ›Ozeanic‹ kümmerte sich jetzt die politische Polizei. Der Bundesnachrichtendienst in Pullach hatte zwei seiner Männer zum CIA nach New York beordert; sie sollten mit dem Flugboot ebenfalls an Bord kommen. Aus Paris telegrafierte das Deuxieme Bureau, der französische Geheimdienst, mit der ›Ozeanic‹. Auch Graf Sepkinow erhielt aus Paris merkwürdige Telegramme, die keinen Sinn hatten und aus Zahlen bestanden. Er las sie stirnrunzelnd und verbrannte sie dann in seinem Aschenbecher, zerrieb die Asche zwischen den Händen und streute sie ins Meer.
    »Ich komme mir vor, als transportiere ich sämtliche Geheimagenten der Welt auf meinem Schiff«, stöhnte Kapitän Selbach, als wieder so ein Zahlentelegramm aus Paris für die Russen eintraf. »O Gott, wie schön war die Zeit vor dreißig Jahren, als wir um die Welt schipperten und nichts anderes im Kopf hatten als Musik und Liebe. In welchem Jahrzehnt leben wir bloß!«
    Für die kommende Nacht hatte man vorgesorgt. Bewaffnete Matrosenstreifen durchkämmten die Gänge der Luxusklasse-Passagiere. Aber nichts geschah. Der Tod Aitmanows, dieser sinnlose Tod, der lediglich zur Nachrichtenübermittlung diente, war anscheinend der Abschluß. Und doch schlief man nicht in den Kabinen. Hergarten und Sybilla saßen am Tisch, die Pistolen vor sich; Dr. Dahl wachte bei dem noch immer schwachen Heinz Niehoff; Graf Sepkinow und seine beiden übriggebliebenen Lakaien bildeten eine Art Igelstellung – sie verließen ihre Kabine überhaupt nicht mehr. Einsam und verwundert über so viel plötzliche Krankheit an Bord – denn jede Entschuldigung hieß: Wir sind krank – saßen am Kapitänstisch nur noch Sir Surtess und Lady Anne und der unverwüstliche Sam Hopkins, der überall erzählte:
    »Alle liegen auf dem Rücken! Ich kenne das … seekrank sind sie. Alles andere sind Ausreden. Können nichts vertragen, die Burschen! Einen Sam Hopkins haut so etwas nicht um. Ich stehe noch bei Windstärke 12 an der Bar und trinke ruhig meinen Whisky.«
    Er war in enthusiastischer Laune. Was er sich schon in Cuxhaven vorgenommen hatte, aber durch das Eindringen jugendlichen Elans nicht ausführen konnte – das war ihm jetzt gelungen: Er hatte Margret Goltz, den Goldfisch der ›Ozeanic‹ erobert. Ganz einfach war das gewesen: Er hatte sie
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