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Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Schwarzer Nerz auf zarter Haut

Titel: Schwarzer Nerz auf zarter Haut
Autoren: Heinz G. Konsalik
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über dem Gesicht lag wieder ein weißes Tuch. Es war nicht zumutbar, in dieses zerplatzte Antlitz zu sehen.
    Um den OP-Tisch herum standen der Oberzahlmeister, der Leitende Ingenieur, der I. Offizier und Dr. Holger Dahl, der Schiffsarzt. Man hatte ihn von Hamburg nach Cuxhaven geholt. Der Anruf erreichte ihn in der Badewanne seines Hotels. Mit einem Taxi war er nach Cuxhaven gerast.
    »Ein Unfall ist etwas Unvorhergesehenes, meine Herren«, sagte Kapitän Selbach langsam. »Uns alle kann so etwas treffen. Ich kann nachher auf der Treppe ausrutschen und mir den Hals brechen. Unfälle sind etwas Menschliches. Aber ich weiß, was Sie jetzt denken.« Er sah sich zu den anderen Offizieren um und merkte, wie sie seinem Blick auswichen. »Wenn eine Jungfernfahrt gleich so beginnt … natürlich denken Sie so! Und so werden auch die Passagiere denken. Es ist deshalb eine Bitte der Reederei an Sie alle, dieses traurige Vorkommnis nicht bekannt werden zu lassen. Unser neues, herrliches Schiff soll mit wehenden Flaggen und fröhlichem Lachen ablegen, um den Atlantik zu erobern!«
    Kapitän Selbach sah zurück auf den langgestreckten Körper in der Ausgehuniform. Dann grüßte er den Toten, wandte sich ab und verließ das Hospital.
    Im Dunkel der Nacht wurde der tote Matrose von Bord gebracht und zum Leichenhaus des Friedhofes gefahren. Den Sarg und das Begräbnis bezahlte die Reederei; es würde kein großes Abschiednehmen geben. Er hatte keine Verwandten mehr, nur eine alte Tante in Lüneburg, die nicht kommen konnte, weil sie Arthritis hatte.
    Kapitän Selbach stand an der Gangway, als man den Sarg von Bord trug. Die Kaianlage des ›Steubenhöft‹ lag im matten Licht einiger Kranlampen. Die großen, grün gestrichenen Neonleuchten, die sonst die wuchtigen Eisenpoller, das ›Aussichtshaus‹, den Parkplatz, die Zollabfertigung und die Gangway in helles Licht tauchten, brannten nicht. Erst in ein paar Tagen, wenn die Passagiere mit Zügen und Wagen zum ›Steubenhöft‹ anreisten, wird der Glanz der Lichter den romantischen Schmutz der Hafenanlagen überdecken.
    »Er war sofort tot«, sagte Dr. Dahl, der neben Kapitän Selbach dem Sarg nachblickte. Sechs Matrosen trugen ihn im Gleichschritt zum Totenwagen. »Genickbruch.«
    Kapitän Selbach nahm die Mütze ab und wischte sich über das angegraute Haar. Er schwitzte trotz der Kühle der Nacht.
    »Sind Sie abergläubisch, Doktor?« fragte er leise.
    »Nein, Herr Kapitän.«
    »Aber ich.«
    Mit einem Ruck setzte er die Mütze wieder auf, drehte sich um und stapfte auf sein Schiff zurück.
    Es war das schönste Schiff, das je über den Atlantik fahren würde …
    Das Zimmer war nüchtern, mit hellen Möbeln aus Birnbaum, einem glänzenden Kunststoffboden, einem Haargarnteppich mit grau-roter Musterung, blaßgelben Gardinen vor dem großen Fenster und drei Bildern an den weißen Wänden. Ein Gemälde vom Drachenfels am Rhein, ein alter Stich von Bonn und ein Foto des gütig lächelnden Bundespräsidenten. Er sah so wohlwollend darauf aus, daß man ihn hätte Onkel nennen können.
    Das fand auch Dr. Franz Hergarten. Schon mehrmals hatte er etwas irritiert den Bundespräsidenten angesehen, dessen Fotoaugen ihn anblickten und anlächelten und »Guten Tag, mein Lieber. Ein schöner Tag draußen, nicht wahr?« zu sagen schienen.
    Dr. Hergarten gegenüber saß Ministerialrat Dr. Blatz, rauchte eine Zigarre und trank mit kleinen Schlucken Kognak. Eine Stunde vertraulichen Gespräches im Ministerium war vorüber, und Dr. Hergarten kam sich vor, als sei dies alles unwirklich, nur im Unterbewußtsein erlebt. Im Kino sieht man so etwas öfters, im Fernsehen auch, und man lächelte dann und sagte sich: Ja, der Film! Im Leben ist so etwas unmöglich. Das sind ja Phantastereien.
    Nun erlebte er eine solche Phantasterei, und er sollte sie still, unauffällig und im Auftrag des Staates zum guten Ende bringen.
    »Wir verstehen uns, mein Bester?« sagte Ministerialrat Dr. Blatz gerade und sah auf seine glühende Zigarrenspitze. »Es geht uns darum, daß Ihre Pläne völlig unauffällig nach New York gelangen. Ihre Forschungen über Raketentreibsätze können das Wettrennen Amerika-Rußland zugunsten Amerikas entscheiden, das wissen Sie besser als ich. Was Sie da an Schubkraft ausgerechnet haben, mit Ihrem Material Elektronium –, das ist umwerfend. Damit kann man ja Raumstationen von der Größe eines Dorfes in das Weltall schießen! Und so etwas entdeckt ein Deutscher, und wir können nichts
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