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Schwarzer Mittwoch

Schwarzer Mittwoch

Titel: Schwarzer Mittwoch
Autoren: Nicci French
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schätze, ich hatte schon immer Angst vor den Teenagerjahren.« Sie warf einen Blick zu Frieda hinüber. »Vielleicht, weil ich mich noch allzu gut an unsere eigene Teenagerzeit erinnern kann. Wir haben damals ein, zwei Dinge angestellt, die wir inzwischen wohl eher bereuen, oder?«
    Eine Stimme in Frieda entgegnete: Was meinst du mit »Wir«? Wir waren keine Freundinnen. Wir haben nichts miteinander angestellt. Doch sie verkniff sich jeden Kommentar und wartete.
    »Seit etwa einem Jahr hat sie sich sehr verändert. Ich weiß, was du gleich sagen wirst: Sie ist eben in der Pubertät. Wieso mache ich mir da solche Sorgen? Tja, ich mache mir in der Tat Sorgen. Anfangs war sie nur verschlossen und launisch. Sie wollte über nichts mit mir reden. Ich habe mich gefragt, ob vielleicht Drogen oder Jungs im Spiel sind. Oder womöglich Drogen und Jungs. Ich habe versucht, sie danach zu fragen. Ich habe versucht, ihr mit Verständnis zu begegnen. Ohne jeden Erfolg.
    Vor etwa einem Monat wurde es dann schlimmer. Sie kam mir irgendwie anders vor und sah auch anders aus. Plötzlich wollte sie nicht mehr richtig essen. Wobei sie bereits seit Längerem so eine alberne Diät machte und sowieso schon klapperdürr war. Mittlerweile frage ich mich, wie sie es überhaupt noch schafft, am Leben zu bleiben. Ständig zermartere ich mir das Gehirn, was ich für sie kochen könnte, aber egal, was ich ihr vorsetze, sie schiebt es nur auf ihrem Teller herum. Und selbst wenn sie isst, sorgt sie hinterher dafür, dass sie es wieder von sich gibt. Zumindest glaube ich das. Außerdem schwänzt sie die Schule und macht keine Hausaufgaben.«
    »Hat sie regelmäßigen Kontakt mit ihrem Vater?«
    »Stephen ist in der Hinsicht ein hoffnungsloser Fall. Er meint, es sei nur eine Phase. Sie werde schon darüber hinwegkommen.«
    »Was erwartest du von mir?«, fragte Frieda.
    »Kannst du nicht mit ihr sprechen? Das ist schließlich dein Beruf, oder? Knöpf Sie dir doch mal vor.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob dir wirklich klar ist, was ich mache. Ich begleite meine Patienten grundsätzlich über einen längeren Zeitraum hinweg, um Problemen auf den Grund zu gehen, die sie im Leben haben. Ich frage mich, ob deine Tochter sich nicht besser an einen Schulpsychologen wenden sollte.«
    »Dazu ist Becky bestimmt nicht bereit. Das habe ich alles schon versucht. Ich weiß einfach nicht, an wen ich mich noch wenden soll. Bitte! Tu einer alten Schulfreundin den Gefallen!«
    Frieda betrachtete Maddies flehende Miene. Das Ganze behagte ihr nicht. Ihr missfiel, dass diese Frau aus ihrer Vergangenheit behauptete, mit ihr befreundet gewesen zu sein, und etwas verlangte, dass sie ihr im Grunde nicht geben konnte.
    »Ich bezweifle, dass ich in diesem Fall die richtige Ansprechpartnerin bin«, erklärte sie. »Aber wenn du mir deine Tochter bringst, rede ich mit ihr. Mal sehen, ob ich dir oder ihr einen Rat geben kann. Aber versprechen kann ich gar nichts.«
    »Wunderbar. Wenn du möchtest, nehme ich auch an dem Gespräch teil.«
    »Ich werde allein mit ihr reden müssen, jedenfalls erst einmal. Sie muss wissen, dass es sich um ein vertrauliches Gespräch handelt und sie mir alles offen sagen kann – das heißt, wenn sie überhaupt etwas sagen möchte. Womöglich ist sie noch gar nicht bereit zu einem solchen Gespräch.«
    »Oh, ich bin sicher, mit dir wird sie reden.«
    Maddie stand auf und holte ihren Mantel, als müsste sie schnell das Weite suchen, ehe Frieda es sich anders überlegen konnte. Rasch schlüpfte sie hinein und wickelte sich den Schal wieder um den Hals. Frieda kam es vor, als würde sie ihre ehemalige Klassenkameradin beim Anlegen einer Rüstung beobachten. Nachdem Maddie sich verabschiedet hatte und bereits halb zur Tür hinaus war, drehte sie sich plötzlich noch einmal um.
    »Irgendetwas an meiner Tochter macht mir Angst«, erklärte sie. »Ist das nicht schrecklich?«
    B itte setz dich.«
    Frieda deutete auf einen Stuhl und wartete, bis Becky sich niedergelassen hatte, ehe sie selbst in ihrem roten Sessel Stellung bezog. Das Mädchen blickte sich neugierig um. Der Raum wirkte ordentlich und schlicht. Zwischen den beiden Sitzgelegenheiten stand ein niedriger Tisch mit einer Schachtel Papiertaschentücher darauf. Die Lampe in der Ecke tauchte den Raum, dessen Wände rauchgrün gestrichen waren, in ein sanftes Licht. Becky registrierte die Pflanze auf dem Fensterbrett. Durchs Fenster sah sie eine große, wie eine Kraterlandschaft wirkende Baustelle.
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