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Schwarze Seide, roter Samt

Titel: Schwarze Seide, roter Samt
Autoren: Ann Carlott Fontana
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Rauschgiftgeschichten verwickelt
zu sein, man hat ihm nur bisher nichts nachweisen können.
Natürlich gibt’s auch von ihm keine Spur mehr.«
    »Und Marion? Gibt es einen Hinweis auf Marion?«
    »Keinen. Die Leute müssen sie mitgenommen haben.«
    »O Gott…«
    Christian überlegte, ob er dem armen Herrn Rönsch auch von
dem grausigen Fund berichten sollte, den Polizisten im Hafenbecken
gemacht hatten. Eine in ein Bettlaken verpackte, zusammengeschnürte
tote Frau, zweifelsfrei nicht Marion, aber möglicherweise
eine Frau, die an Bord der Maria Luna gewesen war.
Ein Passagier meinte sich zu erinnern, die schlanke Rothaarige in
Marbella gesehen zu haben, wie sie an Bord kam. Nein, besser
Marions Eltern erfuhren davon vorerst nichts.
    »Herr Rönsch«, sagte Christian eindringlich, »ich möchte Sie
bitten, nicht gleich das Schlimmste zu vermuten. Es gibt keinen
Hinweis, daß Marion etwas passiert ist, verstehen Sie? Es kann
sogar auch sein…«
    »Was?«
    »Das kommt manchmal bei jungen, abenteuerlustigen Mädchen
vor. Vielleicht hält man sie nicht gegen ihren Willen fest. Vielleicht
hat sie sich in irgendeinen glutäugigen Kerl verliebt und…«
    »Das habe ich meiner Frau auch schon gesagt. Aber die glaubt
das nicht. Und, ehrlich gesagt, ich glaube es auch nicht.«
    Deprimiert legte Christian den Hörer auf. Aus irgendeinem
Grund war er derselben Meinung wie Marions Eltern. Marion
war nicht freiwillig nach Marrakesch gefahren. Es gab niemandem,
dem sie gefolgt war.
    Oder wollte er das nur glauben, weil ihm Marion noch weniger
gleichgültig war, als er zugab? Wie auch immer, wenn sie in
Marrakesch festgehalten wurde, schwebte sie in Gefahr. Und
jeder Tag, der verging, machte die Gefahr größer.
    Marrakesch, fand Marion, glich einem einzigen bunten, lauten
Bazar. Solange sie mit Marco zusammengewesen war, hatte sie
fast nichts davon gesehen, aber jetzt, mit Mohammed, fuhr sie
mitten hindurch und war fasziniert von dem Leben und Treiben
auf den Straßen. Überall priesen Händler ihre Waren an, überall
wurde gefeilscht, gestritten, gelacht und geprahlt. Alte, würdevolle
Männer saßen im Schneidersitz am Straßenrand und rauchten
Pfeife. Frauen, ihre Kinder auf den Rücken gebunden, hasteten
vorüber und schleppten Körbe voller Gemüse und Obst. Nackte
kleine Mädchen und Jungen spielten mitten im Gewühl. Es stank
nach Fisch und Benzin. Hin und wieder schob sich eine Luxuskarosse
mit dunkelgetönten Scheiben durch die Menge, da und
dort sah man europäische Touristen in den unvermeidlichen
Shorts über zu dicken Oberschenkeln und mit teuren Filmkameras
um den Hals. »Sieh mal, da steht ein Kamel!« rief Marion
aufgeregt, als sie eines dieser herrlichen, ruhigen, großen Tiere
erspähte, das es sich im Schatten eines Hauses gemütlich gemacht
hatte und mit sanften, gleichmäßigen Bewegungen wiederkäute.
Mohammed amüsierte sich über Marions Begeisterung.
»Hast du noch nie ein Kamel gesehen?«
    »Nur im Zoo.«
    »Hier wirst du ständig über eines stolpern. Aber da du Marokko
ja verlassen willst…«
    »Ja, das will ich. So schnell wie möglich. Und wenn es hier tausend
Kamele gibt!« Gegen die Absteige, in der Mohammed sie
unterbrachte, war das Hotel, in dem sie mit Marco gewohnt
hatte, geradezu ein Luxusschuppen gewesen. Hier handelte es
sich eher um eine Art Baracke, die in einer stillen Nebenstraße
etwas abseits des Trubels lag. Die Wirtin sprach kein Wort und
war so dick, daß sie kaum durch die Türen ihres eigenen Hauses
paßte. Sie führte Marion in eine düstere Kammer, in der ein Bett
stand, ein hölzerner Stuhl, und auf einer Kommode eine Schüssel
mit Wasser. Marion drehte sich rasch um, konnte aber von Mohammed
keine Spur mehr erblicken. Auch die Wirtin verschwand
und schlug die Tür hinter sich zu. Und jetzt, dachte Marion
entnervt, warte ich zum hundertsten Mal auf etwas, wovon ich
nicht weiß, was es sein wird.
    Immerhin, sie konnte davon ausgehen, daß Mohammed ihr
irgendeinen Mann schicken würde, der ihr Geld, vielleicht auch
schon einen Ausweis dafür gab, daß sie mit ihm… Schnell schob
sie den Gedanken beiseite. Sie wusch sich die Hände in dem
abgestandenen Wasser auf der Kommode, warf einen Blick aus
dem Fenster – Wellblechhütten und Hinterhöfe – und setzte sich
dann aufs Bett. Es quietsche schauerlich unter ihr. Sie starrte auf
die Tür und wünschte, der nächste Tag wäre schon vorüber.
    Das Zimmer lag bereits im
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