Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schwarze Seide, roter Samt

Titel: Schwarze Seide, roter Samt
Autoren: Ann Carlott Fontana
Vom Netzwerk:
»Ich schlafe so
unruhig nachts. Ich dachte mir, das müssen Schlaftabletten sein,
und es würde mir vielleicht helfen, wenn ich jeden Abend eine
davon nehme.«
    »So?« Marcos Stimme klang ruhig, aber der Ausdruck seines
Gesichts war lauernd. »Und warum hast du mich nicht um eine
Tablette gebeten, sondern dir heimlich drei Stück genommen?«
    »Ich dachte, du würdest mir vielleicht keine geben.« In der
nächsten Sekunde schrie sie auf, denn seine Faust hatte sie am
Mund getroffen, und die Heftigkeit des Schlags schleuderte sie zu
Boden. Sie lag auf der Erde und schmeckte Blut. »Marco…«
    Er riß sie hoch, so daß sie auf den Füßen zu stehen kam, und
schlug sie dann ein zweites Mal zu Boden. Das Blut strömte ihr
aus der Nase, sie spürte einen furchtbaren Schmerz im Kiefer
und an den Schläfen. Er bringt mich um, er bringt mich um,
schoß es ihr durch den Kopf. Wie aus weiter Ferne hörte sie sein
Schreien und Brüllen: »Reinlegen wolltest du mich, du Hexe!
Alles war nur Theater, von Anfang an. Von wegen, du liebst
mich, du wartest jeden Abend auf mich! Scheißegal bin ich dir!
Die ganze Zeit hast du nur darüber nachgedacht, wie du weglaufen
kannst, und jetzt bist du auf den Einfall gekommen, mir ein
Schlafmittel ins Essen zu mischen, damit du dich davonstehlen
kannst, wenn ich halb bewußtlos im Bett liege!
    Sehr schlau von dir, aber nicht schlau genug. Da mußt du schon
noch ein bißchen was lernen, wenn du Marco Garibaldi reinlegen
willst! Ich hab’s gespürt, die ganze Zeit hab ich’s gespürt, du
widerliche Schlampe, du Hure! Du bist Dreck, wie alle Frauen…«
In seinem Zorn trat er mit dem Fuß nach ihr, und in einer mehr
reflexartigen Bewegung, um ihren schmerzenden Kopf vor dem
Tritt zu schützen, umklammerte Marion sein Bein. Marco verlor
das Gleichgewicht, stürzte zu Boden und schlug hart auf. Er
brüllte wie ein Stier. »Ich bring dich um! Jetzt bring ich dich um!«
Irgendwie kam sie auf die Beine, und obwohl ihr übel war vor
Schmerzen und sich alles vor ihren Augen drehte, begriff sie die
Gefahr, in der sie schwebte. Es war ihr klar, daß Marco ernst
machen könnte. Sie griff nach der großen, schweren Champagnerflasche,
die sie für den Abend hatte aufmachen wollen, und
als Marco versuchte aufzustehen, schlug sie nach ihm, fast blind
in ihrer Verwirrung, aber sie mußte ihn getroffen haben, denn sie
hörte Glas splittern und vernahm ein heiseres Stöhnen. Bewegungslos
blieb Marco auf der Erde liegen.
    Ein paar Sekunden lang starrte sie ihn an, unfähig zu glauben,
was passiert war. Dann drehte sie sich um, rannte zur Tür und
rüttelte an der Klinke – verschlossen natürlich, und der Schlüssel
hing um Marcos Hals. Sie merkte, wie sie zitterte und wie ihre
Knie weich wurden bei der Vorstellung, noch einmal in die
Küche zurückgehen zu müssen, wo der bewußtlose Marco am
Boden lag, aber mit aller Kraft rief sie sich zur Vernunft: Ich
muß zurück! Anders komme ich an den Schlüssel nicht heran,
und dann bin ich für alle Zeiten hier gefangen!
    Marco lag noch genauso da, wie sie ihn verlassen hatte. Er lag
auf dem Bauch und das bedeutete, daß sie ihn umdrehen mußte.
Plötzlich war sie von der fixen Idee befallen, er werde, sobald sie
nach ihm griff, aufspringen und sich auf sie stürzen. Es vergingen
zehn kostbare Minuten, ehe sie es wagte, ihn zu berühren.
    Er dachte nicht daran, sich auf sie zu stürzen, sondern lag im
Gegenteil so still, daß neuer Schreck Marion überfiel: Hatte sie
ihn umgebracht? Aber als sie sein Gesicht sah, erkannte sie, daß
er atmete. Er blutete aus einer Wunde am Kopf und war ganz
offensichtlich nur bewußtlos. Ein Grund mehr für sie, sich zu
beeilen. Sie schnitt die Schnur, an der der Schlüssel hing, mit
einem Küchenmesser durch, lief aus der Küche und schob von
außen den Riegel vor. Wenn er aufwachte, konnte er zumindest
nicht sofort hinter ihr her. Sie ging ins Bad, wusch das Blut von
ihrem Gesicht, schaute dann an sich hinunter und entschied, daß
sie kaum in ihrer scharfen Unterwäsche loslaufen konnte. Sie
schlüpfte in Marcos Pullover und in einen Ledermini, den er ihr
gestern mitgebracht hatte. Das Ding war zwar verdammt unpraktisch,
weil es so eng saß, daß sie nur Trippelschritte machen
konnte, aber sie hatte sonst nichts, also mußte es gehen. Als ein
Problem erwiesen sich die Schuhe. Tatsächlich besaß sie zwar
inzwischen ungefähr zwölf Paar, aber alle hatten sie Absätze von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher