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Schwarze Seide, roter Samt

Titel: Schwarze Seide, roter Samt
Autoren: Ann Carlott Fontana
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anderes aus, um Marco zu überraschen –
eine andere Frisur, ein anderes Make-up, eine neue Kombination
ihrer Kleider. Sie verfügte inzwischen über genügend Utensilien,
um sich nach Lust und Laune verwandeln zu können. Mit wieviel
Bitterkeit, Angst und Wut sie es tat – davon merkte Marco glücklicherweise
nichts. Er fing an, sich in Sicherheit zu wiegen. Es
war am fünften Abend, den sie in diesem Haus verbrachten, als
Marco plötzlich beschloß, ein Bad zu nehmen. Gut gelaunt ließ
er Wasser in die Wanne laufen, schüttete eine halbe Flasche
Schaumbad hinterher, stellte das Radio neben sich und legte sich
schließlich in die schöne, große Wanne. Marion hörte ihn zu der
Musik pfeifen. Natürlich hatte er die Haustür verschlossen und
den Schlüssel an einer Schnur um seinen Hals hängen. Aber das
Jackett seines Anzugs lag über einer Stuhllehne im Wohnzimmer.
Einer Eingebung folgend, griff Marion in die Taschen. Leer, leer,
leer…
    »Marion, mein Engel, kommst du mir nicht Gesellschaft leisten?
« klang es aus dem Bad. »Gleich, mein Liebling!« Hastig
wühlte sie weiter. Was war das? Ein Röhrchen mit weißen Tabletten.
»Liebling, was machst du denn?«
    »Ich räume nur noch das Geschirr in die Küche!«
    »Mach das doch nachher! Ich fühle mich so allein ohne dich!«
Wenn das nun die Schlaftabletten waren, mit denen Marco seine
Gespielinnen einzuschläfern pflegte? Dann könnte sie ihn
damit auch… Rasch öffnete sie das Röhrchen. Aus dem Bad
vernahm sie ein lautes Platschen. Offenbar war Marco mißtrauisch
geworden und verließ die Wanne. In höchster Eile schüttete
sie drei Tabletten in ihre Hand und schob sie, da ihr im Moment
kein anderes Versteck einfiel, in ihren Slip. Das Röhrchen ließ sie
in die Jackentasche zurückfallen, und es gelang ihr gerade noch,
zwei Teller vom Tisch zu nehmen, als Marco pitschnaß ins
Zimmer trat. »Was machst du so lange?« fuhr er sie an. Er wirkte
äußerst nervös.
    So gelassen wie möglich erwiderte Marion: »Schatz, das Essen
trocknet doch an, wenn ich das Geschirr hier stehen lasse! Laß es
mich rasch unters Wasser halten, dann komme ich gleich zu dir.«
Leiser fügte sie hinzu: »Ich kann es doch auch schon kaum mehr
erwarten!« Er kam auf sie zu und insgeheim sandte sie ein Stoßgebet
zum Himmel, er möge nicht ausgerechnet jetzt in ihren Slip
fassen. Der Schweiß brach ihr aus, aber Marco kniff ihr nur eine
Spur zu fest in die Wange und sagte: »Wenn ich dich rufe, dann
kommst du sofort, verstanden?«
    »Ja, Marco.«
    Er brummte etwas und verschwand wieder im Bad, nahm sein
Jackett aber mit. Marion hastete in die Küche, stellte die Teller
ins Spülbecken und kramte die Tabletten hervor. Sie hörte wieder
ein lautes Platschen aus dem Bad – Marco mußte in die Wanne
zurückgestiegen sein. Wohin jetzt mit den kostbaren Pillen?
Morgen abend konnte sie sie in Marcos Champagner tun, aber
bis dahin brauchte sie ein absolut sicheres Versteck. Ihre Augen
flogen durch den Raum und blieben an der Mehldose hängen. Da
schaute Marco bestimmt nicht hinein. Sie öffnete sie, grub die
Tabletten in das Mehl und wollte gerade den Deckel wieder
schließen, als sie eine Hand auf ihrer Schulter spürte. Gelähmt
vor Schrecken rührte sie sich eine Sekunde lang nicht, dann
wandte sie sich mit weichen Knien um. Hinter ihr stand Marco,
immer noch nackt, aber das Wasser trocknete bereits an seinem
Körper. Er konnte nicht noch einmal in der Wanne gewesen
sein, er hatte nur so getan, um sie in Sicherheit zu wiegen und
sich anschleichen zu können. Seine Augen glitzerten zornig.
»Was hast du in diese Dose getan?«
    »Nichts, Marco, wirklich. Ich…«
    »Mach sie auf!«
    »Marco, ich…«
    »Du sollst sie aufmachen!«
    Sie öffnete den Deckel. Marco nahm ihr die Dose aus der
Hand. »Ist das Mehl?«
    »Ja. Ganz normales Mehl. Ich weiß nicht, was du hast!«
    Er wühlte im Mehl und förderte nach und nach alle drei Tabletten
zutage. Ungläubigkeit malte sich auf seinem Gesicht. »Tabletten?
« Dann dämmerte ihm etwas. Wortlos verschwand er im Bad
und kehrte mit dem Röhrchen aus seinem Jackett zurück. Offenbar
wußte er, wie viele Tabletten darin gewesen waren, denn er
zweifelte keine Sekunde daran, daß die im Mehl gefundenen aus
seinem Vorrat stammten.
    »Warum bist du an meine Tabletten gegangen?« Vor Angst und
Entsetzen schossen Marion die Tränen in die Augen, aber sie
wagte trotzdem einen letzten schwachen Versuch:
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