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Absolute Beginners

Absolute Beginners

Titel: Absolute Beginners
Autoren: Colin MacInnes
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IM JUNI
    Es geschah mit dem Anbruch der
Laurie-London-Ära
1 , als mir klar wurde, dass das ganze Teenager-Epos dem Untergang entgegentaumelte.
    »Vierzehn Jahre alt, dieser Einsteiger«, sagte ich zum Wizard, als wir beiläufig in der Grammophonabteilung stehen blieben, um Little Laurie in jener Darbietung zu hören, die ihm die Goldene Schallplatte beschert hatte.
    »Ab jetzt«, sagte der Wizard, »hält er zweifellos The Whole World in His Hands.«
    Wir horchten, wie es in den Nasenlöchern des Wunderknaben rotierte.
    »Jedes Jahr kaufen sie uns ein Stück jünger«, rief ich. »Also echt, Little Mr. L. ist noch nicht mal im Stimmbruch, wen werden die Steuerzahler wohl als Nächstes kidnappen?«
    »Säuglinge«, sagte der Wizard.
    Wir stiegen über die weiße Treppe zum Wintergarten unter dem Dach des Kaufhauses hoch und standen vor dem glorreichen Panorama, unserem Lieblingstreffpunkt.
    Ich muss erklären, dass der Wiz und ich nie in diesen Laden kommen, um irgendwas zu kaufen, außer, wie heute, ein Räucherlachssandwich und einen Eiskaffee. Im Wesentlichen schauen wir uns hier wie ein Ehepaar die neuesten Möbel und Stoffe an und haben außerdem diesen famosen Blick auf London; so wunderbar wie nirgends sonst in der Stadt, den anderen Nervensägen unseres Alters aber offenbar unbekannt und überhaupt allen anderen auch, außer den ältlichen Schachteln aus Chelsea, die hier oben ihren Elf-Uhr-Tee zu sich nehmen.
    Nach Norden raus sieht man nicht viel, stimmt schon, und nach Westen ist der Blick komplett durch das Kaufhausgebäude verstellt. Aber wenn du dich auf
     deinem Barhocker langsam von Osten nach Süden drehst, siehst du, wie im
Cinerama
2 , schmucke neue Wolkenküsser aus Beton, die wie Statuen von englischen Altstadtplätzen ragen, und dann kommen die prachtvollen Parks mit Bäumen wie klassischer französischer Salat und schließlich das Hafenleben entlang der Themse, diesem glorreichen Fluss, der dich daran erinnert, dass du dich an einem Meereseingang befindest, eigentlich einer Salzbracke, mit hysterischen Möwen, die vom Wasser aufsteigen und fast mit den Schnäbeln an das runde Spiegelglas schlagen, und dann, ehe du dichs versiehst, hast du dich einmal um dich selbst gedreht und sitzt wieder vor deinem Becher Eiskaffee.
    »Laurie L.«, sagte ich, »ist ein Signal des Niedergangs. Dieses Teenager-Ding läuft langsam aus dem Ruder.«
    Der Wiz sah weise drein, so wie der mittlere Bursche der drei alten Affen.
    »Es sind nicht die Steuerzahler«, sagte er, »die dafür verantwortlich sind. Es sind die Kids selbst, weil sie die EP s dieser von alten Säcken bestochenen Teenager-Nachtigallen kaufen.«
    »Kein Zweifel«, sagte ich, denn ich bin klug genug, mich mit dem Wizard, oder anderen, denen bei ihren Theorien einer abgeht, nicht zu streiten.
    Mr. Wiz fuhr fort, während er für alle sichtbar sein Lachssandwich kaute: »Sie steigt in zwei Richtungen, diese Teenager-Party. Die Kiddos werden von den Rekruten ausgebeutet, und sie werden von sich selbst ausgebeutet, von diesen gewieften kleinen Einsteigern. Das Endergebnis? ›Teenager‹ ist jetzt ein Schimpfwort, oder es klingt zumindest nach ›Spießer‹.«
    Ich lächelte Mr. W. an. »Na ja, mach mal langsam, Junge«, sagte ich, »ein sechzehnjähriger Knirps wie du hat noch jede Menge Teenager-Leben vor sich. Was mich angeht, achtzehn, fast neunzehn Sommer alt – ich werde schon bald einer von den Oldies da draußen sein.«
    Der Wizard musterte mich mit seinem Somerset-Maugham-Blick. »Ich, mein Junge«, sagte er, »ich sag dir eins. So wie die Dinge stehen, werde ich es nicht bedauern, wenn mir das Teenager-Etikett von den Arschtaschen meiner bügelfreien himmelblauen Jeans gerissen wird.«
    Es stimmte, was der Wiz da sagte, zumindest teilweise. Der Teenager-Tanz hatte wahrlich Größe in den Tagen, als die Kids erkannten, dass sie – zum ersten Mal seit Anbeginn der Zeit – Geld hatten, etwas, das uns bis dahin immer genau dann im Leben versagt geblieben war, wenn es am nützlichsten ist, nämlich wenn man jung und stark ist; und bevor die Zeitungen und das Fernsehen dieses Teenager-Märchen an sich rissen und ausschlachteten, wie die Rekruten das anscheinend mit allem tun, das sie anfassen. Ja, ich sag dir, es war was wirklich Großes, Wildes – als wir merkten, dass keiner uns mehr mit dem Arsch auf der Nase sitzen konnte, weil wir endlich Kohle zum Rausschmeißen hatten, und unsere Welt sollte unsere Welt sein: die, die wir wollten, und
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