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Schwarze Seide, roter Samt

Titel: Schwarze Seide, roter Samt
Autoren: Ann Carlott Fontana
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flammendroten Licht der untergehenden
Sonne, als die Tür aufging und ein Mann eintrat. Er war
klein und dünn, dunkelbraun gebrannt und hatte einen schmalen
Oberlippenbart, der seinem Gesicht einen etwas grausamen
Ausdruck gab. Eindringlich musterte er Marion. »Sprechen Sie
Englisch?« erkundigte er sich.
    »Ja… etwas…« Unwillkürlich war sie aufgestanden. Sie überragte
den Mann um mindestens einen Kopf. Was hatte sich Mohammed
denn dabei gedacht?
    Verdammter Idiot, dachte sie wütend, er hätte nett sein und mir
wenigstens etwas halbwegs Gutaussehendes schicken können!
»Nehmen Sie Ihre Sachen und kommen Sie mit.«
    »Ich habe keine Sachen.«
    Er zuckte die Schultern, verließ das Zimmer und drückte der
Wirtin im Vorbeigehen ein paar Geldstücke in die Hand. Sie
strahlte zahnlos. Marion trottete hinter ihm her und stand draußen
zu ihrer Verwunderung vor einer schwarzen Luxuskarosse.
Dunkle Scheiben, helle Ledersitze, eine Scheibe zwischen Fahrer
und Gast. Marion mußte hinten Platz nehmen, der Mann setzte
sich ans Steuer. Ein Funke Hoffnung regte sich in ihr: Offenbar
handelte es sich hier nur um einen Chauffeur, der den Auftrag
hatte, sie abzuholen. Sie erinnerte sich, daß auch Taleb damals an
jenem Abend in Puerto Banus an Bord der Maria Luna einen
seiner Diener vorgeschickt hatte. In gewissen Kreisen schien das
üblich zu sein. Womöglich hatte Mohammed doch einen ganz
netten Fang gemacht.
    Marion lehnte sich zurück und wartete, was geschehen würde.
     

Kapitel 12
     
    Sie aßen auf der Veranda eines wunderschönen großen Hauses
zu Abend. Nein, eigentlich war das kein Haus, das war ein
Palast. Ein Schloß aus hellem Stein, das sich über dem Meer
erhob, und in dessen Räumen hundert Lichter strahlten. Auf der
Veranda standen Kübel mit Palmen und Büschen, Oleander und
Bougainvillea rankten sich um die Säulen. Kerzen brannten. Zwei
riesige langhaarige Hunde, einer vornehmer als der andere, bewegten
sich lautlos zwischen all der Pracht. Diener in weißen
Mänteln und weißen Turbanen huschten umher. Irgendwo spielte
leise Klaviermusik, es roch nach allen Düften des Paradieses.
An das Ufer rauschten die Wellen. Der Mann, der sich Samir
nannte, neigte sich über den Tisch zu Marion vor. Er sah gut aus,
schwarzäugig und mit grauen Strähnen im Haar, gekleidet in
einen hellen Safarianzug und weiche Wildlederstiefel. Er aß nur
wenig, war aber sehr darauf bedacht, daß es seinem Gast
schmeckte. Immer wieder legten die Diener Marion nach, immer
wieder schäumte der Champagner im silbernen Kelch. Es gab
Langusten, Hummer, gefüllte Eier, verschiedenfarbigen Kaviar,
salziges Gebäck, das man in köstliche, brennendscharfe Soßen
tauchen konnte. Zwischen den einzelnen Gängen säuberte man
sich die Finger in kleinen Silberschalen, die mit Wasser gefüllt
waren, auf dem Seerosen schwammen.
    Marion schob einen letzten Löffel mit Kaviar in den Mund.
»Ich glaube, ich kann nicht mehr«, sagte sie und lehnte sich
seufzend zurück. »Hat es Ihnen geschmeckt?« wollte Samir wissen.
Er sprach ein beinahe akzentfreies Deutsch. »Englisch,
Französisch oder Deutsch?« hatte er sich erkundigt, als Marion
ihm zum ersten Mal gegenüberstand und sich ihr Fahrer diskret
verabschiedet hatte.
    »Deutsch«, sagte Marion, und später beim Essen fragte sie ihn:
»Woher können Sie so viele Sprachen?«
    »Ich bin in vielen europäischen Ländern zur Schule gegangen«,
erklärte Samir. »In Familien wie die, aus der ich stamme, war das
so üblich. Ich mag Deutschland. Ich mag die deutsche Sprache.
Und die deutschen Frauen. Sie haben sehr schönes blondes Haar,
Marion.«
    Der Champagner benebelte sie. Alles kam ihr vor wie ein fremder
Traum: die leise Musik, die vielen weißgekleideten Diener,
das palastartige Haus, die herrlichen Hunde, der schöne Mann,
der ihr gegenüber saß und Komplimente machte, das Meer, das
sich dunkel und brausend zu ihren Füßen ausbreitete. Konnte
das denn alles wahr sein? »Leila wird sich um dich kümmern«,
sagte Samir. Unbemerkt war eine zierliche, dunkelhaarige Frau
nähergetreten, gehüllt in ein mit bunten Blumen besticktes Tuch,
das ihr bis zu den Knöcheln reichte. Ihre nackten Füße stecken
in goldgefärbten Sandalen.
    »Kommen Sie mit mir, Marion?« Sie hatte eine sanfte Stimme
und sprach Deutsch mit einem angenehmen, singenden Tonfall.
Benommen folgte Marion ihr.
    Über lange Gänge, die alle mit weichem weißen
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