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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten
Autoren: Verena Roßbacher
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weiß schon, im 19. Jahrhundert, als du ein junges Mädchen warst und von französischen Soldaten unter windigen Versprechungen ins Iglu gebeten wurdest, hast du gesagt, Papperlapapp –
    Unsinn. Ja, habe ich gesagt, ich zelte für mein Leben gern. Sonst wärst du heute überhaupt nicht hier, sondern würdest noch –
    Mit den Mücken fliegen, sagte Sydow.
    Genau, sagte Frau Sydow, mit den Mücken. Im Übrigen habe ich dort –
    Den besten Milchkaffee deines Lebens getrunken, sagte er.
    Richtig.
    Dein Großvater, Sydow verfiel in ihren leicht getragenen Tonfall, war ein sehr romantischer Mann.
    Das war er wirklich, Frederik, wir haben in späteren Jahren noch oft ein Zelt aufgestellt in unserem Garten und manchmal hat er gesagt –
    Omi! So was erzählt man doch nicht seinem Enkel, so was wirft mich, psychoanalytisch gesehen, wieder um Jahre zurück.
    Ich denke, warf Stanjic ein, du bist so psychophob.
    So auch wieder nicht.
    Im Übrigen, sagte Stanjic, ein paar Jahre auf oder ab macht bei dir, psychoanalytisch gesehen, das Kraut nicht fett. Immerhin kriegst du dann deine Zehnerkarte schneller voll, ein Jahr gratis.
    Das war auch wieder wahr.
     
    Wie auch immer, sie saßen im Visite-ma-tante , was natürlich lustig gemeint war, visite ma tente, Tante, besuch mein Zelt, meine Tante, verstehen Sie? Lustig, oder?
    Geht so, murmelte Sydow, er fand so was offen gestanden nicht mal witzig. Jedenfalls gehörte das Café seiner Oma, sie fand so was richtig lustig, Omas eben, sie war schon auch eine Tante, aber eben nicht seine.
    Ich habe, sagte Sydow, kein Wort von einem Astronauten gesagt. Er tunkte eine Gabel voll Polenta in die Soße und begann wieder zu essen. Schön übrigens, dass man dich auch mal wieder sieht, du hast ein paar Proben vergeigt, ist dir das klar?
    Ja, weiß ich, mir ist da was –
    Weißt du, das mit dem Verlaufen zieht langsam nicht mehr.
    Ich habe mich auch nicht verlaufen, das ist eine merkwürdige Sache, wollte ich dir eben erzählen, es geht um Simon und –
    Simon geht mir auch auf den Zeiger, kaum, dass du wieder serviert wirst, fehlt der Glaser, hat das irgendeinen geheimen Zusammenhang?
    Das ist gar nicht so verkehrt, darüber wollte ich ja gerade mit dir –
    Später vielleicht, mir fällt da nämlich was anderes ein, sagte Sydow, jetzt, wo dus sagst, apropos Astronauten, das war folgendermaßen.
     
    Wie gesagt, was sie richtig gut konnten, war das weit Ausholen und das Ausführlichwerden, die Hausmusik, na ja, wenn sies freut, aber um die enormen Umwege, um überhaupt irgendwo zu Potte zu kommen, kommt man, so man sich ihnen an die Fersen heftet, nicht herum.
    Wiewohl, und das ist das eigentlich Bemerkenswerte an dieser Art des Fortkommens, sich schlussendlich immer alles fügt, es sind gewaltige Schlenker, das ja, sinnlos oder gar ohne Zusammenhang mit dem eigentlichen Geschehen, das hier berichtet werden soll, sind sie mitnichten.
    Es waren drei Jungs und hart waren sie nicht, aber zäh, auf eine eigentümlich verdrehte Art. Die Letzten werden die Ersten sein und wer zuletzt kommt, ist auch da, das wären so Sentenzen, die sie sich, wenn ihnen mal der Schneid ausgehen sollte, unverdrossen zuriefen. Bloß geht denen nie der Schneid aus.
    Apropos, sagte Sydow also, Astronauten.
    Es war an einem Abend nämlich folgendermaßen gewesen:
    Ich habe die Tür hinter mir zugezogen –

8. Mein Lektor und ich

    Nein, sagte mein Lektor.
    Was nein.
    In der Perspektive kommst du bei der Szene nicht weit, Überraschung, Witz, Schönheit – kann man dann alles den Hasen geben.
    Den Hasen?
    Und jetzt schreibst du alles um und machst auf personalen Erzähler, wie gehabt.
    Aber Frederik erzählt es doch dem Stanjic.
    Für dich immer noch Sydow. Ja und?
    Er raffte seine Papiere zusammen und winkte dem Taxichauffeur draußen durch die Scheibe des Cafés hinweg zu, er hatte es eilig, Termine, berühmte Autoren, die seiner harrten, er ist ein viel beschäftigter Mensch. Machst du eben, rief er im Hinausgehen, ein neues Kapitel und here we go!
    Verstehen Sie, dass ich manchmal unendlich müde bin?
     
    Sydow hatte die Tür hinter sich zugezogen, seine Brille beschlug, eine flotte Impression von Nebel über Feldern, fette Erdschollen im Zwielicht, der Dunst, der über den Wiesen hängt, wenn der Morgen leise davontrappelt. Er wartete, bis es wieder aufklarte, die Äcker verblassten und die Felder sich an den Rand der Stadt zurückzogen, er wartete, bis es aufklarte und es nur eine Brille war, die beschlug, und
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