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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten
Autoren: Verena Roßbacher
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der diese Filme miteinander verband.
    Ich kann sagen, alles wäre anders gekommen, hätten sie zwei und zwei zusammengezählt und all die kleinen Steinchen gedeutet, die die Zukunft schon auf ihren Weg gestreut hat. Und hier liegt genau der Hund begraben: Wir werden erst auf Seite 278 wissen, was es genau damit auf sich hat, aber so viel möchte ich Ihnen schon mal verraten: Es ist kein Stein. Es ist eine kleine Kachel. Es gibt genau fünf Formen in verschiedenen Farben und mit zusätzlichen Linien darauf, die sich verbinden, sobald man ein Muster legt. Die Kacheln haben einprägsame Namen: Raute, Fliege, Sechseck, Fünfeck, Zehneck. Verstehen Sie? Sie können, wenn Ihnen das zu abstrakt sein sollte, sich ein paar entsprechende Bildtafeln ansehen, beispielsweise im Darb-i-Imam-Schrein im Iran kann man diese Fliesenkunst sehr schön betrachten. Sie können sich aber auch das Cover meiner Verlagskollegin Eva Menasse anschauen, praktischerweise hat sie eines dieser Muster zur Vorbereitung auf mein Buch in ihrem aktuellen Werk Quasikristalle zur Verwendung gebracht.
    Wir werden uns noch eingehender mit diesem System beschäftigen, im Moment dazu nur so viel: Es ist ein Muster. Und alles, was ich hier so umständlich darlege, ist ein weiteres Stück, das wir brauchen werden, um das Gesamtbild zu erkennen. Ich habe der Einfachheit halber pro Fliese ein Kapitel veranschlagt, mein Lektor hielt das für übersichtlicher. Sie könnten also, wenn Sie ein Freund der plastischen Anschauung sind und gerne basteln, die einzelnen Kapitel aus dem Buch schneiden und sie sodann in Ihrem Wohnzimmer auslegen – Sie können aber genauso gut faul darauf warten, dass David Stanjic den Job für Sie erledigt, sicher haben Sie Wichtigeres zu tun, ganz im Gegensatz zu ihm.
    Ich saß am Ende mit einem gewaltigen Haufen an Material da und habe alles Unnötige aussortiert, ich schwöre.
    Es geht immer noch ungeheuer weitschweifig zu und her, aber: Alles ist wichtig, ich versuche einfach, diesem komplexen und verdrehten Fall irgendwie Herr zu werden. Hören Sie? Stünde auf dem Buch, das Sie gerade erwartungsfroh in Händen halten, etwa: Krimi oder: Polizeiroman , so wären Sie in beständiger Habachthaltung, Sie hörten die Flöhe husten und vermuteten hinter jedem meiner Worte einen sensationellen Hinweis auf das Gesamtgeschehen. Und zu Recht. Sie hätten einen erprobten Ermittler, Sie vertrauten auf Sherlock oder Guido, auf Philip und Jules, Sie wähnten sich in der angenehmen Sicherheit, dass diese Leute einfach vom Fach sind, gut, hin und wieder scheinen sie die Sache zu versemmeln, aber das täuscht. Sie sind ausgekocht, in ihrem scharfen Geist rattert und fuhrwerkt es beständig, auch wenn man das von außen nicht unbedingt erkennen mag.
    Hier verhält sich die Sache leider etwas anders. Weil, und das ist der springende Punkt: Lange ahnte keiner von unseren Freunden, dass die gefährliche Handlung schon längst ihren Lauf genommen hatte, noch wusste niemand, dass der Kreis sich immer enger zog. Noch war nichts passiert.

7. Adam und Eva

    Wo also beginnen? Ich denke, ich nehme einen heiteren Tag im Sommer 2012. Es war das erste Mal, dass David Stanjic die Uetliberg-Episode erwähnte. Für alles, was davor war, habe ich mir vorgenommen, ein paar elegante Rückblenden einzubauen. Eigentlich nämlich beginnt die Geschichte viel früher, nämlich 2003, bloß sagt mein Lektor, ich solle nicht bei Adam und Eva anfangen, sondern knackig mit einer Liebesszene beginnen, das käme immer gut.
    Aber Adam und Eva, sagte ich, das ist doch eine Liebes-
    Ach was, sagte er, das Thema ist doch abgefrühstückt.
    Von mir aus.
     
    Apropos Astronauten, sagte Stanjic darum einmal, es war hoher Mittag und es gab Rindfleisch und Polenta.
    Wieso apropos, Sydow blickte von seinem Teller auf, schaute sich stirnrunzelnd um und angelte sich einen Pfefferstreuer vom Nebentisch.
    Sie saßen im Visite-ma-tante , was natürlich lustig gemeint war, visite ma tente, eine harmlose Aufforderung aus der Zeit der französischen Besatzung, ihre exquisite Pfadfinderkunst zu begutachten, mit der die Soldaten versuchten, die deutschen Mädchen in ihr Lager zu locken.
    Das ist etymologisch höchst umstritten, behauptete Sydow.
    Papperlapapp, sagte seine Oma, ich habs am eigenen Leib erlebt.
    Zur Zeit der französischen Besatzung. Sagte Sydow. Im 19. Jahrhundert. Ja?
    Werd nicht frech, sagte seine Oma.
    Papperlapapp sagt heute übrigens kein Mensch mehr, sagte er.
    Als ich –
    Ja,
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