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Ein Tag wie jeder: und doch ganz anders

Ein Tag wie jeder: und doch ganz anders

Titel: Ein Tag wie jeder: und doch ganz anders
Autoren: Rigor Mortis
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Und doch ganz anders
    Es war ein strahlender Sommertag, und wie an so manchen Tagen sah Herr Paulsen zu seinem Nachbarn rüber, lächelte freundlich und grüßte mit erhobener Hand.
    Herr Jakob grüßte ebenso zurück und beschäftigte sich weiter mit seinem Garten.
    „Manchmal übertreibt er es mit dem Umgraben!“, stellte Paulsen kopfschüttelnd fest und setzte seinen Weg zum Bäcker fort.
    Wie jeden Tag kaufte er zwei Körnerbrötchen, zwei Scheiben Käse und Schinken, verabschiedete die nette Kassiererin mit einem extra freundlichen Lächeln, so wie sie es stets erwiderte.
    Mit seinem Frühstück setzte Paulsen sich an das Küchenfester, wo er einst mit seiner Frau immer saß, und sah hinüber zu seinem Nachbarn.
    Dieser war mit dem Umgraben des Gartens schon wieder fertig und empfing Damenbesuch, wie jeden Morgen.
    Auch diese Szenerie hatte ein Kopfschütteln von Herrn Paulsen zur Folge, und er wandte sich seinen Brötchen zu. Zuerst Schinken, dann Käse, abermals Käse und zum Schluss genoss er erneut den Schinken auf seinen Geschmacksknospen. Einen Schluck Kaffee noch und schon räumte er den Tisch ab. Jeden Tag das Gleiche.
    Sein Blick ging abermals hinüber zu dem Haus des Herrn Jakob. Alle Vorhänge waren, wie immer, geschlossen, sobald dieser Besuch bekam.
    Alles war wie immer. Jeden Tag der 1000 Tage, seitdem Paulsens Ehefrau von ihm gegangen war. So lange her, und doch meinte er immer wieder, sie müsste bald durch die Tür kommen.
    Dieser Tag brachte jedoch eine Überraschung.
    Seine Tochter Elisabeth kam zu Besuch, eine wunderhübsche Frau. Mitte dreißig, braune Haare und grüne Augen. Das Ebenbild der verstorbenen Frau und Mutter.
    Es war somit doch ein besonderer Tag, etwas anders als die anderen.
     
    Elisabeth wohnte in einem anderen Land, musste über das große Meer fliegen, um ihren Vater zu besuchen. Das letzte Mal zur Beerdigung der geliebten Ehefrau und Mutter.
    Endlich hatte sie es geschafft, auch wenn ihr Anlass nicht wirklich freudig war, aber das sollte Herr Paulsen nie erfahren.
    Zum Mittagessen gab es Erbsensuppe nach Muttern Art und zum Abendessen zwei Schreiben Brot mit Butter und Leberwurst. So wie jeder Tag verging dann doch auch dieser, nur saß Herr Paulsen nicht allein am Tisch. Trotzdem ging sein Blick zum Nachbarn hin, der im Garten stand und sich umsah. Auch das war jeden Tag der Fall, also nichts Neues, alles wie immer und doch so anders.
     
    Am nächsten Morgen war Herr Paulsen besonders gut gelaunt. Der Gedanke an seine Tochter machte ihm gute Laune. Er ging aus dem Haus, grüßte seinen Nachbarn, der im Garten am Umgraben war, schüttelte den Kopf und ging einkaufen. Vier Körnerbrötchen, vier Scheiben Käse und Schinken. Heute war er zu zweit, und sein Lächeln ließ das auch die Kassiererin wissen.
    Kaum auf seinem Grundstück, sah er, wie jeden Tag, dass Herr Jakob seine Arbeit beendet hatte und ging in sein Haus. Alles wie immer und doch so anders.
    Elisabeth aß ein Brötchen, lächelte ihrem Vater zu und berichtete, dass der Nachbar sie geladen hätte.
    Damit ging sie hinüber, und wie jeden Morgen beim Frühstück sah also Herr Paulsen, wie sein Nachbar Damenbesuch empfing.
    Doch dieses Mal war es ihm nicht egal. Zum ersten Mal fragte er sich, was Herr Jakob dort wirklich tat.
    Er kam aber zu keinem Ergebnis und machte das, was er jeden Tag so tat.
    Als Elisabeth zum Mittagessen nicht heimkam, seufzte Paulsen tief, setzte sich allein an den Tisch und es kam ihm vor, wie immer.
    Sein Blick ging zum Nachbarhaus. Die Vorhänge waren zugezogen und alles war wie jeden Tag.
    Am Abend runzelte Herr Paulsen die Stirn, als er seinen Nachbarn im Garten sah, wie dieser sich umschaute.
    Er sah genauer hin, und was er sah, ließ ihn schlucken, zum Telefon greifen und die Nummer der Polizei wählen.
     
    „Ihnen ist es nie aufgefallen?“, fragte ein junger Polizist und sah Paulsen mitfühlend an.
    „Alles war wie immer, jeden Tag das gleiche Bild. Woher hätte ich es wissen sollen?“, beantwortete der die Frage und spürte Tränen über seine Wange laufen. Sein Blick ging zum Garten seines Nachbarn, wo ein Bagger die Gräber aushob.
    Jeden Tag das Gleiche, jeden Tag hatte es Herr Paulsen gesehen und doch nicht wahrgenommen. Erst heute war ihm das Blut am Nachbarn aufgefallen, erst heute war ihm bewusst geworden, dass nie eine Frau das Haus von Herrn Jakob wieder verlassen hatte.
    Nun kamen sie alle wieder raus, doch keine lebend, auch nicht seine Tochter.
     
    Ein Tag
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