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Schwätzen und Schlachten

Schwätzen und Schlachten

Titel: Schwätzen und Schlachten
Autoren: Verena Roßbacher
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konsequent in die falsche Richtung schicken, immer dahin, wo in tausend Jahren nie ein Bäcker auftaucht. Fahre nicht nach Österreich. Auch nicht theoretisch.
    Ist gut. Gott sei Dank ist dir die Flucht gelungen.
    Ja, die Krise hatte mich schon fest in der Mangel. Aber ich bin dem Land entwischt.
     
    Das war natürlich nur die halbe Wahrheit.
    Ach was, sagte Sydow, es hat mit der Wahrheit rein gar nichts zu tun, es hat mit Österreich nichts zu tun.
    Dieses Land ist ein Debakel, sagte Stanjic gern.
    Kann schon sein, erwiderte Sydow, bloß ist dein eigenes Debakel ganz und gar privater Natur, es heißt Klara und macht auf Dauer, dass dir das Land zu eng wurde. Nicht weil das Land so klein wär oder Klara so dick, mehr so innerlich.
    Stanjic war, kurzum, eine feige Socke, in Österreich war die Krise und er rannte davon, setzte sich ab und tat, als wär er ein politischer Mensch. Dabei:
    Der Österreicher, sagte Sydow abschließend, ist an sich kein politischer Mensch, beim Österreicher ist immer alles privat. Es heißt Klara oder Topfen statt Quark und betrifft den Österreicher immer höchstpersönlich.

4. Schon wieder ein Berlin-Roman

    Stanjic hatte die ersten Wochen im Berliner Exil damit zugebracht, sich zu verlaufen, er ging konsequent in die falsche Richtung, stieg stur in die verkehrte U-Bahn und fand den Bus nicht. Dann kaufte er sich ein Auto, damit wurde es nicht besser, aber er saß dann immerhin immer im Trockenen.
    Schade war –
    Schade ist, pflegte Sydow gerne zu sagen, dass es die Mauer nicht mehr gibt. Du hättest spätestens dort jeweils gemerkt, dass es Zeit ist, umzukehren.
    Stimmt, sagte Stanjic, schade. Er fuhr neuerdings Lunchpakete aus, auch ein Job. Man lernt da, sagte er, die verschiedensten Menschen –
    Jaja. Sydow hielt entweder nichts von Menschen oder davon, dass sie alle verschieden waren, er mochte die Sandwichs nicht oder was, jedenfalls fand er, das sei zwar auch ein Job, aber ein schlechter.
    Aber zurück zu den Filmen. Sie hatten David Stanjics Zutrauen in die Neuen Medien nicht gerade gestärkt, aber natürlich war er von Österreich her ein gebranntes Kind.
    Die Österreicher machtens im Film wie in allem anderen auch, entweder ganz richtig oder grundsätzlich falsch, vornehmlich, sagte Stanjic, vornehmlich natürlich Zweiteres.
    Man sah dann Österreicher in Filmen wahlweise in ihrer Selbstzufriedenheit oder in ihrer Unzufriedenheit, man sah sie in ihrer Brutalität wüten oder in ihrer Dumpfheit dräuen, man sah sie in ihrer ganzen tragischen Tristesse dahinmarodieren oder ihren maladen Geist balsamieren und fragte sich, wozu das alles noch auf Filme bannen und in Kinos zeigen, ist die Realität nicht schon grausig genug?
    Doch, fand Stanjic. Darum, sagte er sich, schau ich mir ein bisschen diese Filme an vom Glaser, ärger kanns nicht werden.

5. Die Zukunft gehört den Neuen Medien

    Wenn er einen der Filme schaute, verstand er ihn nicht. Sie ließen ihn in tiefer, ratloser Kontemplation zurück, wiewohl er sie sich jeweils mehrfach zu Gemüte führte, sie waren, wie gesagt, vorsorglich für eher beschränktere Persönlichkeiten wie ihn, immer in Endlosschleife.
    Wollten ihm die Filme irgendwas sagen? Was? Wollten sie ihm nichts sagen? Warum nicht? Trotzdem, er hatte das diffuse Gefühl, ab einer gewissen Menge geschauter Filme womöglich irgendeinen geheimen Zusammenhang aufzudecken. Er dachte sich den Effekt in etwa so, wie wenn man durch diverse Zimmer stöbert, von jedem Bett die Decke zieht und hofft, dass was darunter ist.
    Stanjic dachte zum Beispiel: eine nackte schöne Frau. Oder – na ja. Er dachte im Grunde nur: eine nackte schöne Frau. Was sollte man sonst in einem Bett Interessantes finden. Aber das fände er sehr interessant. Er fände es geradezu inspirierend. Bisher hatte er aber nichts dergleichen entdeckt, auch in den Filmen spielten bedrückend wenig nackte Frauen mit, es waren wohl eher symbolische Filme, bloß verstand er die Symbole nicht. Gut möglich, dass eins der Symbole eine nackte schöne Frau symbolisierte, aber er wusste nicht, welches. Vielleicht hätte er sonst mächtig viel Spaß gehabt beim Filmeschauen.
    Vielleicht aber auch nicht. Er war eher nicht so für Symbolik. Er mochte nackte schöne Frauen, er mochte, dass sie nackt waren, er mochte ihre Schönheit. Er war, dachte er bei sich, ein ganz schlichter Charakter.

6. Ein bisschen Geometrie schadet nie

    Im Nachhinein war mir natürlich klar, was der hinterhältige Zusammenhang war,
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