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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall
Autoren: Ross Thomas
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paar Punkte.
    Dill wartete, während Betty Mae Marker leise ins Telefon murmelte, kichernd auflachte, etwas auf ein Stück Papier kritzelte, aufhängte und den Zettel Dill hinüberreichte. »Abflug Dulles Airport, zwei Uhr siebzehn, erster Klasse«, sagte sie.
    »Erster Klasse kann ich mir nicht leisten«, erwiderte Dill.
    »Die Touristenklasse ist ausgebucht, also wird man Sie zum selben Preis in die erste Klasse stecken, bei freiem Schnaps und mit den leckersten Bräuten. Das wird Sie vielleicht ein bißchen aufheitern.« Wieder erschien auf ihrem Gesicht das warme, echte Mitgefühl. »Es tut mir ja so leid, Ben. Sie standen sich beide sehr nahe, nicht wahr – ich meine, wirklich nahe?«
    Dill lächelte traurig und nickte. »Nahe«, stimmte er ihr zu und zeigte dann auf eine der geschlossenen Türen – diejenige, die ins Büro des Beraters für Probleme ethnischer Minderheiten beim Unterkomitee führte. »Ist er drin?«
    »Der Senator ist bei ihm«, sagte sie und hatte schon wieder den Hörer von der Gabel genommen. »Ich will sie nur schnell benachrichtigen und alles, was Sie dann noch tun müssen, ist, den Kopf reinstecken, kurz hallo sagen, wieder verschwinden und diese traurige Angelegenheit regeln.«
    Wieder murmelte Betty Mae Marker mit ihrer geübten Altstimme ins Telefon, einer Stimme, die sie so tief gesenkt hatte, daß Dill kaum heraushören konnte, was sie sagte. Sie hängte ein, nickte zur geschlossenen Tür hin, lächelte und sagte: »Aufpassen – jetzt!«
    Die Tür flog krachend auf. Ein kräftiger, blonder Mann von etwa sechsunddreißig oder siebenunddreißig Jahren stand da in Hemdsärmeln, mit gelockerter Krawatte und einem Hosengürtel, den er fast unterhalb der Hüftlinie zugeschnürt hatte, so daß für seinen überhängenden Bauch reichlich Platz blieb. Sein Gesicht zeigte den Ausdruck reinsten irischen Kummers.
    »O verdammt, Ben, ich weiß selber nicht, was ich dazu sagen soll, außer, daß es mir so verflixt leid tut.« Mit einer Hand fuhr er sich kräftig über die untere Hälfte seines vollen, merkwürdig hübschen Gesichts, als wolle er die kummervolle Miene wegwischen, die indessen unverrückbar fest auf seinen Zügen blieb. Dann schüttelte er bekümmert den Kopf, nickte zu seinem Büro hin und sagte: »Kommen Sie rein, und lassen Sie uns einen Schluck trinken.«
    Der Mann war Timothy A. Dolan, Berater des Unterausschusses in Minderheitenfragen und ein vorübergehend beurlaubter Heißsporn in einer der letzten jener unentwegten politischen Schlachten in Boston. Auf der Verlustseite mußte er abbuchen, daß er jetzt nur den Job eines Beraters in Minderheitenangelegenheiten innehatte. Zwei Jahre da unten in Washington, das kann dem Burschen nichts schaden, so war in Boston entschieden worden, dann werden wir weitersehen! Dill war schon seit langem davon überzeugt gewesen, daß Boston für die amerikanische Politik das darstellte, was die Aberdeen Proving Grounds – das militärische Versuchsgelände – für neue Waffensysteme waren.
    Als Dill hinter Dolan das Büro betrat, erhob sich der Baby-Senator und streckte ihm seine Hand entgegen. Der Ausdruck in seinem jugendlich wirkenden Gesicht war der einer tiefen Betroffenheit, und wieder mußte Dill denken, was er stets dachte, wenn er Ramirez gegenüberstand: glatt wie ein Spanier.
    Senator Joseph Luis Emilio Ramirez sah größer aus, als er in Wirklichkeit war, vermutlich wegen seiner kerzengeraden Haltung und der hervorragend geschnittenen Nadelstreifenanzüge, die er bevorzugte. Dunkelbraunes Haar fiel ihm in einer Locke in die hohe Stirn, und er strich es sich ständig über den glänzend schwarzen Augen zurück, die gelegentlich abgrundtief wirkten. Er hatte eine vollkommen ebenmäßige Nase, eine Haut von hellem Oliv und einen breiten Mund mit einem leichten Überbiß. Sein Kinn zierte ein tiefes Grübchen, das die meisten Frauen und auch manchen Mann dazu reizte, es zu berühren. Er war von der Schönheit eines Schauspielers, zwar kein überragender oder genialer Kopf, doch ungewöhnlich reich und sah mit seinen dreiunddreißig Jahren höchstens wie dreiundzwanzig, allenfalls vierundzwanzig aus.
    Seine Stimme paßte natürlich zu allem übrigen. Es war ein dunkler Bariton mit einem denkwürdig rauchigen Flair. Er konnte damit alles machen. Jetzt übte er sie in einer Beileidsbezeugung.
    »Sie haben mein ganzes Mitgefühl, Ben«, sagte der Senator und ergriff Dills Rechte mit beiden Händen, »selbst wenn ich das Ausmaß Ihres
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