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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall
Autoren: Ross Thomas
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15000 Dollar entgegengenommen hatte. Und obwohl jedermann schon seit Jahren bekannt gewesen war, daß der Amtsleiter die Taschen nach allen Seiten aufhielt, war man dennoch überrascht und beeindruckt, als der junge Ramirez den alten Trottel tatsächlich in den Bau schickte. Der Junge wird seinen Weg machen, hatte man übereinstimmend befunden, und allgemein wurde eingeräumt, daß es der Junge mit all dem Ramirez-Geld (nicht zu vergessen die Frau, die ja auch reichlich Geld hatte!) sehr weit bringen würde.
    Ramirez schaffte es in den Senat von New Mexiko, und dann gelang ihm mit dreiunddreißig Jahren der ganz große Sprung in den US-Senat. Jetzt machte er kein Geheimnis mehr aus seinem Wunsch, der erste Präsident der Vereinigten Staaten werden zu wollen, der lateinamerikanischer Abstammung war, was nach seiner Schätzung ungefähr 1992 oder 1996, vielleicht auch erst im Jahr 2000 der Fall sein würde, wenn »wir Bohnenpflücker ohnehin die Mehrheit der Wähler stellen«. Nicht jeder glaubte, daß der Baby-Senator nur einen Scherz machte.
    Für Benjamin Dill hing in den Korridoren des Carroll Arms noch immer der scharfe Dunst politischer Kumpanei alten Stils, des Tauziehens von Seilschaften mit ihrem billigen Mief, lieblosem Sex, hochprozentigem Bourbon und Zigarren, die in Zellophan verpackt gebracht und einzeln zu einem Vierteldollar das Stück verkauft wurden. Obwohl Dill sich selbst für einen politischen Agnostiker hielt, mochte er die meisten Politiker – und die meisten Kanalarbeiter der Gewerkschaften, die Wichtigtuer von Verbraucherverbänden, die glühenden Verfechter der Bürgerrechte, die berufsmäßigen Beschützer des aussterbenden Wals, die Baum- und Naturschützer, die Kernkraftgegner und nahezu jeden einzelnen, der sich in der Dienstagabendversammlung im Souterrain der Unitarischen Kirche aus einem der hölzernen Faltstühle erheben und mit vollem Ernst zu wissen verlangen würde, »was wir hier und heute dagegen tun können«. Dill hatte schon vor langem resigniert und war der Überzeugung, daß es nicht viel gäbe, das irgend jemand für oder gegen etwas ausrichten könnte; doch diejenigen, die noch immer daran glaubten, interessierten ihn. Jedenfalls schätzte er die Mehrzahl von ihnen als amüsante Gesellschafter und anregende Gesprächspartner.
    Dill schritt durch die Tür mit der Nummer 222 und betrat das unordentlich mit allerlei Sachen vollgestopfte Empfangszimmer, wo Betty Mae Marker als Majordomus über das begrenzte Reich des Unterausschusses herrschte. Sie schaute zu Dill auf, sah ihn mit einem langen, prüfenden Blick an, und eine Woge von Mitgefühl und Besorgnis zeigte sich auf ihrem dunkelbraunen, hübschen Gesicht.
    »Jemand ist gestorben, ja?« sagte sie. »Jemand, der Ihnen nahesteht.«
    »Meine Schwester«, erwiderte Dill, während er den Koffer absetzte.
    »O Gott, Ben, das tut mir schrecklich leid. Sagen Sie, was ich für Sie tun kann.«
    »Ich muß nach Hause fliegen«, sagte Dill, »heute nachmittag.«
    Betty Mae Marker hatte bereits den Hörer vom Telefon genommen. »Mit der American, okay?« fragte sie, während sie schon dabei war, die Nummer zu wählen.
    » American, ja gut«, sagte Dill im festen Wissen, daß sie ihm, falls ein Platz in der Maschine frei wäre, den Flug auch sichern und andernfalls sogar durchsetzen würde, daß jemand anderer ihm den seinen räumen müßte, falls das Flugzeug ausgebucht sein sollte. Insgesamt fünfundzwanzig ihrer dreiundvierzig Jahre hatte Betty Mae Marker auf dem Capitol Hill gearbeitet, fast stets nur für Männer mit großem Einfluß, und infolgedessen war ihr Ruf beeindruckend, ihr Nachrichtennetz großartig und ihr Fundus an einzufordernden politischen Gegenleistungen praktisch unerschöpflich. Oft mit stürmischem Werben und manchmal sogar mit heftigem Drängen versuchte man, sich ihrer Dienste zu versichern, und viele ihrer Busenfreunde hatten sich verwundert gefragt, warum sie eingewilligt hatte, sich von dem Baby-Senator in dieses einflußlose Subkomitee ohne eigentlichen Geschäftsbereich hinüberziehen zu lassen, das so weitab von der großen Politik ins Carroll Arms gesteckt worden war.
    »Rockschöße, Leute«, hatte sie darauf nur erwidert, »dieser Mann hat die längsten und schnellsten Rockschöße, die hier seit Bobby Kennedy durchgefegt sind.«
    Nachdem Betty Mae Markers Bemerkung die Runde gemacht hatte, stiegen die politischen Aktien des Baby-Senators auf der unsichtbaren Börsennotierung des Capitol Hill um ein
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