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Schutzwall

Schutzwall

Titel: Schutzwall
Autoren: Ross Thomas
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Stadterneuerung vorlegte, und machten damit eine gewaltige Beihilfe aus Bundesmitteln vom Department of Housing and Urban Development in Washington locker. Der Erneuerungsplan verlangte den Kahlschlag fast der gesamten Innenstadt, und anstelle der alten sollte eine jener bezaubernden Städte von morgen errichtet werden. Fast alles wurde abgerissen, dann ging, wie das gewöhnlich geschieht, das Geld aus, und jetzt sah die City fast so aus wie das Zentrum von Köln nach dem Zweiten Weltkrieg. Richtig eingesetzt hatte der Abriß allerdings erst Mitte 1974, und mittlerweile war Benjamin Dill längst weggezogen.
    Dill merkte zu seiner Überraschung, daß ihm die Veränderungen nur wenig ausmachten – nicht einmal die protzigen Neubauten, die jetzt allenthalben anstelle der Wahrzeichen seiner Jugend und Kindheit aus dem Boden zu schießen begannen. Man muß nur alt genug werden, um dem Wandel zu mißtrauen, redete er sich selbst zu; Veränderung zeigt das Verrinnen der Zeit an, und nur die ganz Jungen mit sehr wenig Vergangenheit begrüßen mit offenen Armen und ohne Murren das Neue – ja, nur die ganz Jungen, und dann natürlich die, die ihren Gewinn damit machen, und wenn sich absolut keine Mittel und Wege anbieten, wie man für sich etwas dabei herausschlagen kann, ist man vielleicht noch gar nicht so alt.
    Der Taxifahrer, ein verdrießlicher Schwarzer von Anfang Vierzig, bog nach rechts in die Our Jack Street ein, die einen Einschnitt zwischen den beiden alten Wolkenkratzern bildete. Ursprünglich hatte die Our Jack Street eigentlich Warder Street geheißen, und das zur Zeit der zweiten Amtsperiode von Jack T. Warder, dem einzigen Gouverneur überhaupt, dem es gelungen war, gleich zweimal wegen Amtsmißbrauch angeklagt zu werden: Die erste Anklage wegen der Annahme von Schmiergeldern mußte fallengelassen werden, nachdem er die Senatoren dreier Bundesstaaten großzügig bestochen hatte; bei der zweiten ging es um genau diese Bestechungen. Er war 1927 zurückgetreten, nicht ohne sich noch vorher Generalpardon zu erteilen. Der entehrte Gouverneur hatte seine abschließende Pressekonferenz mit einem durchtriebenen Grinsen und einem schlagfertigen Witz beendet, an den man sich noch lange erinnerte und der oft zitiert wurde: »Teufel noch mal, Leute, ich hab nicht halb soviel gestohlen, wie ich gekonnt hätte!«
    Seitdem hieß er nur noch »Our Jack«, und liebevoll und wehmütig gedachten die Alteingesessenen seiner, indem sie noch immer gern seinen kleinen Witz zitierten, verklärt grinsten und die Köpfe schüttelten. Man benannte die Straße schließlich in United Nations Plaza um, doch im Volksmund hieß sie noch immer Our Jack Street, obgleich nur noch wenige wußten, warum, und die anderen sich selten die Mühe machten, Fragen zu stellen.
    Das Hawkins Hotel stand mitten im Stadtzentrum an der Ecke Broadway und Our Jack Street. Es war ein dunkelgraues, achtzehn Stockwerke hohes, sechzig Jahre altes Gebäude, vom Baustil her so unverkennbar gotisch wie die University of Chicago. Über geraume Zeit war das Hawkins praktisch das einzige Hotel der Stadt gewesen – zumindest der Innenstadt –, nachdem alles übrige mit Dynamit und Abrißbirne dem Erdboden gleichgemacht worden war. Doch inzwischen war ein neues Hilton hochgezogen worden, schnell gefolgt von einem Sheraton und, wie üblich, einem riesigen Holiday Inn.
    Der Fahrpreis für die siebzehn Meilen Taxifahrt vom Flughafen betrug einen Dollar die Meile. Dill reichte dem mürrischen Fahrer einen Zwanziger und sagte ihm, er könne den Rest behalten. Der Fahrer meinte, das wolle er doch stark hoffen, und düste davon. Dill griff sich seine Tasche und betrat das Hotel.
    Er fand es nicht groß verändert, nein, eigentlich nicht.
    Es hatte noch immer jene hohen, gewölbten Decken, die ihm die gedämpfte Atmosphäre einer selten besuchten, abgelegenen Kathedrale verliehen. Die Lobby war noch immer ein Ort, wo man sitzen, die Leute angaffen und in roten Ledersesseln und auf üppigen Sofas vor sich hin dösen konnte. Dann gab es noch niedrige Tische mit den unvermeidlichen Aschenbechern und eine Menge wuchtiger, stämmiger Lampen, unter denen man bequem die nicht mit Beschlag belegten Zeitungen lesen konnte, die noch immer in Haltern an Ständern hingen: die örtliche Tribune; die News-Post, herausgegeben in der rivalisierenden Nachbarstadt, die sich viel auf ihr angebliches Oststaatenflair einbildete; The Wall Street Journal; The Christian Science Monitor; und die
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