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Schulden ohne Suehne

Schulden ohne Suehne

Titel: Schulden ohne Suehne
Autoren: Kai A. Konrad , Holger Zschaepitz
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unangenehm, als in der eigenen Regierungszeit die staatlichen Ausgaben zu kürzen oder die Steuern zu erhöhen oder überhaupt ernsthaft an einer Gesundung der Staatsfinanzen zu arbeiten.
    Falsche Anreize entstehen auch für finanziell gesunde Mitgliedsstaaten der Eurozone. Ein solcher Staat weiß: Er ist in der Rolle des barmherzigen Samariters. Er kann seine Haushaltspolitik noch solider gestalten und Reserven schaffen, um gegebenenfalls die Hilfen für andere Staaten besser zu verkraften. Das Sparen für andere macht aber keinen Spaß. Und es kann das Schuldenmachen in den armen Staaten sogar noch beflügeln. Der Staat kann stattdessen auch zu einer unsoliden Haushaltspolitik übergehen und selbst Schulden machen. Wenn es dem Staat schnell genug gelingt, eine hohe Verschuldung aufzubauen, dann kommt der Staat als Hilfeleistender selbst nicht mehr in Betracht. Der Staat hat ja dann mit sich selbst zu tun. Durch hohe eigene Schulden kann ein Staat seine lästige Samariterrolle abstreifen. Diese Rolle müssen dann die jeweils finanzkräftigsten verbleibenden Staaten übernehmen, solange es noch welche gibt. Alle Staaten der Eurozone haben also Anreize, ihre Staatsverschuldung auszuweiten. Wenn dann ein Sanierungsfall eintritt, kann es leicht sein, dass Hilfe nicht möglich ist, weil mittlerweile alle Staaten zu finanzschwach sind.
    Der Anreiz, sich selbst zu verschulden, um nicht helfen zu müssen, hängt von der Zahl und Zusammensetzung der Mitglieder in der Eurozone ab. Wenn es mehrere finanziell gesunde andere Mitglieder gibt, die im Zweifel einspringen können, dann ist es besonders attraktiv, durch eigene Staatsschulden die Samariterrolle abzustreifen.
    Wenn notleidende Staaten durch andere Staaten der Eurozone systematisch gerettet werden, hat das auch eine ganze Kette von Folgen für die Kapitalmärkte. Möglichen Käufern von Staatsanleihender Eurozone ist es nicht egal, ob andere Mitgliedsstaaten finanziell notleidenden Euroländern helfen oder nicht. Können sie darauf vertrauen, dass hoch verschuldeten Ländern geholfen wird, dann ist es ihnen letztlich gleichgültig, ob sie dem Euroland mit der höchsten Verschuldung oder dem mit der niedrigsten Verschuldung Kredit geben: Ein einzelner Staat in der Eurozone wird so lange von den anderen Staaten gerettet, wie diese das noch können. Also geht entweder gar kein Staat pleite, oder alle Staaten der Eurozone gehen gemeinsam in die Insolvenz. Kann man auf dieses Hilfsprinzip zuverlässig vertrauen, sind die Staatsanleihen aller Staaten der Eurozone aus der Sicht der Gläubiger praktisch gleichwertig, jedenfalls was das mögliche Ausfallrisiko angeht.
    Deshalb ist zu erwarten, dass die Zinsen für die Staatsanleihen unterschiedlicher Staaten sich angleichen. Die Kreditgeber bewerten bei ihrer Kaufentscheidung in einer Welt mit gegenseitigen Hilfen nicht mehr einzelne Staaten nach ihren Ausfallrisiken, sondern nur noch das Gesamtrisiko eines Zahlungsausfalls aller Staaten der gesamten Eurozone. Mit diesem Effekt geht jedoch eine wichtige Kontrollfunktion verloren, die Kreditgeber normalerweise ausüben: Anleger verweigern in der Regel den Kredit, wenn sie an der Bonität der Schuldner ernsthaft zweifeln. Wer sich Geld leihen möchte, hat deshalb ein Interesse daran, auf seine Bonität zu achten und der Kreditgeber hat einen Anreiz, sich Informationen über den Kreditnehmer zu verschaffen. In einer Haftungsgemeinschaft, in der ein Schuldner im Notfall für die Schulden des anderen Schuldners aufkommt, gehen diese Anreize weitgehend verloren. Die Kreditgeber prüfen nicht mehr die Bonität des einzelnen Schuldners, sondern nur die Bonität der Schuldnergemeinschaft. Und wenn die Gemeinschaft aus vielen Schuldnern besteht, hat jeder einzelne Schuldner nur einen kleinen Einfluss auf die Bonität der Gemeinschaft.
    Wie die Abbildung für den Zinsaufschlag für griechische Staatsanleihen im Vergleich zu deutschen Anleihen zeigt, gibt es seit einiger Zeit, besonders aber seit Mai 2010 erhebliche Zinsunterschiede in der Eurozone (Abbildung 20). Das ist ein Anzeichen dafür, dass die Käufer Unterschiede in den Ausfallrisiken nicht nur gesehen haben, sondern   – etwa seit Ausbruch der großen Finanzkrise nach dem Zusammenbruch von Lehman-Brothers   – auchwieder einen Preis dafür verlangt haben, diese Risiken einzugehen. Die Aufschläge für Griechenlandanleihen haben sich seit Mai 2010 dynamisch und mit einer Tendenz nach oben entwickelt. Der Versuch, durch das
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