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Schulden ohne Suehne

Schulden ohne Suehne

Titel: Schulden ohne Suehne
Autoren: Kai A. Konrad , Holger Zschaepitz
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Liquidität austauschen. Der Geldmarkt ist eine Art Dispositionskredit für Banken. Verteuern sich die Konditionen oder wird er ganz gestrichen, droht selbst soliden Schuldnern, die kurzfristig Bares brauchen, das Aus. Auch die Problematik der Kreditausfallversicherungen, die am sichtbarsten das US-amerikanische Versicherungsunternehmen American International Group (AIG) betroffen hat, kann im Zuge einer Insolvenz schnell eine Neuauflage erleben. Wir erinnern uns: Die U S-Regierung musste zweistellige Milliardenbeträge in die Stützung von AIG stecken, um dessen Insolvenz zu vermeiden. Das war dem Vernehmen nach nötig, weil eine Insolvenz von AIG den Markt für Kreditausfallversicherungen und damit zahlreiche weitere Banken zum Zusammenbruch gebracht hätte.
    Systemische Risiken drohen außerdem, weil die Insolvenz eines Eurostaates Ansteckungseffekte für andere Eurostaaten in vergleichbarer finanzieller Schieflage haben könnte: Staaten mit hohen Schulden bleiben nur so lange liquide, wie sie in der Gunst der Kreditgeber stehen. Sie müssen fast jeden Monat größere Kredite zurückzahlen bzw. durch neue Kredite ablösen. Das gelingt nur, wenn sie andere Kreditgeber überzeugen, ihnen entsprechende Summen zu leihen. Wenn ein Eurostaat insolvent wird und Anleger glauben, dass ein Nachbarstaat seine Altschulden ebenso nicht mehr durch neue Schulden refinanzieren kann, leihen sie diesem Staat nichts mehr. Wenn diese Erwartungen um sich greifen, dann erfüllen sie sich von ganz alleine und der Staat, dem die Kreditgeber das Vertrauen entzogen haben, ist tatsächlich finanziell am Ende.
    Insolvenzen von Staaten außerhalb der Währungsunion zeigen, dass es viele weitere Unwägbarkeiten gibt. Die Umständlichkeitvon Verhandlungen zwischen Gläubigern und dem Schuldenstaat und die Unschärfe, mit der man die Verhandlungsergebnisse vorhersehen kann, gehören zu den Problemen. Die Zahl der Gläubiger im Fall einer Staatsinsolvenz ist sehr groß. Betroffen ist ja nicht eine Hausbank oder ein kleines Bankenkonsortium, das sich mit dem Schuldner zusammensetzt und eine Vereinbarung trifft. Ein Staat kann Tausende von kleinen, mittleren und großen Gläubigern haben, die Kreditforderungen unterschiedlicher Art und Laufzeit gegen den Staat haben. Es gibt für die Gläubiger wenig Rechtssicherheit darüber, welche Gläubiger oder welcher Anteil der Gläubiger einem möglichen Vergleich zwischen Schuldnerstaat und Gläubigern zustimmen müssen, damit ein Vergleich zustande kommt. Es gibt auch keine Möglichkeiten zu verhindern, dass einzelne Gläubiger mit dem Schuldner unabhängige Separatvereinbarungen abschließen, die eventuell zu Lasten der übrigen Gläubiger gehen, oder mit ihren Forderungen einfach abwarten, bis sich der Staat durch Verhandlungen mit den anderen Gläubigern aus der Misere befreit hat und dann ihre vollen Forderungen präsentieren. Es gibt keine wirkungsvolle und praktikable Möglichkeit, solche »Trittbrettfahrer«, die sich an einem von einer großen Mehrheit getragenen Vergleich partout nicht beteiligen möchten, zum Einlenken zu zwingen.
    Diese Risiken für die anderen Eurostaaten machen die »No-bailout-Klausel« des Artikels 125   AEUV zu einer leeren Drohung. So wird es jedenfalls im institutionellen Umfeld des Jahres 2010 von der Politik gesehen. Im Frühjahr 2010 tobte zwar noch die Kontroverse unter den Verfassungsjuristen, ob, wer und gegebenenfalls wie man Griechenland überhaupt finanziell beispringen kann. Dass Griechenland nicht in den Staatsbankrott geht, darüber waren sich die meisten Betrachter aber einig. Die Ursache für die Probleme der Europäischen Währungsunion lässt sich mit Grundkenntnissen der Spieltheorie beschreiben. Die Spieltheorie lehrt, dass die Androhung bestimmter Strafmaßnahmen als Antwort auf ein bestimmtes Verhalten nur dann wirksame Anreize setzt, wenn die angedrohten Strafmaßnahmen gegebenenfalls auch ergriffen werden. Wenn die Beteiligten sich ausrechnen können, dass die Strafmaßnahmen in der betreffenden Situation gar nicht ergriffenwerden, dann handelt es sich um eine unglaubwürdige Drohung. Die »No-bailout-Klausel« des Artikels 125   AEUV ist so eine Drohung. Wenn die Schieflage eines Mitgliedsstaats erst einmal eingetreten ist, werden die anderen Eurostaaten im Zweifel eben doch helfen, wenn das Helfen in ihrem eigenen Interesse liegt. Und so verliert die Drohung ihre abschreckende Wirkung.
    Das Interesse an einer Rettung Griechenlands ist jedoch
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