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Schulden ohne Suehne

Schulden ohne Suehne

Titel: Schulden ohne Suehne
Autoren: Kai A. Konrad , Holger Zschaepitz
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begründet hat. Und natürlich hätte dieses Projekt niemals in der Form ohne unsere Ehefrauen stattfinden können, die   – beruflich selbst voll eingespannt   – Entbehrungen hinnehmen mussten. Als kritische Leserinnen haben sie einen maßgeblichen Anteil daran, dass das Buch weitgehend frei von Jargon geblieben ist.

Griechenland und das Samariterdilemma
    Was macht ein Vater nur mit seinem Sohn, der ein leidenschaftlicher Spieler ist, oder auf andere Art viel Geld ausgibt, und dann Schuldscheine bei Kredithaien unterschreibt? Schaut der Vater zu, wie dem Sohn vom Geldeintreiber die Knochen gebrochen werden? Oder zahlt er lieber die Rechnung? Er zahlt. Und wenn er die aktuellen Schulden bezahlt hat, schwört er sich selbst und seinem Sohn: Das war das letzte Mal! Nie wieder wird er für den Sohn zahlen. Das soll sich der Filius gefälligst hinter die Ohren schreiben. Wenn er das nächste Mal bei einer Runde Poker sitzt, wird ihm niemand mehr helfen.
    Glaubhaft ist dieser Schwur natürlich nicht. Es ist eine leere Drohung. Und beide wissen das, Vater und Sohn. Auch das nächste Mal, wenn dem Sohn der Knochenbrecher droht, wird der Vater schwach werden und helfen. Glaubhaft ist die Drohung deshalb nicht, weil der Vater den Sohn nicht leiden sehen kann, ohne selbst zu leiden. Beide sind durch ein Band miteinander verbunden, das das Wohlbefinden des Einen an das Wohlbefinden des Anderen koppelt. Der Wirtschaftsnobelpreisträger James Buchanan hat diese Situation als Samariterdilemma bezeichnet, weil die Hilfsbereitschaft des Vaters   – des »Samariters«   – ausgenutzt wird. 102
    Parallelen zu dieser Situation gibt es im Jahr 2010 in der Eurozone. Eine solche Schieflage des Haushalts eines Eurolandes wie inGriechenland hatten die Väter des Vertragswerks von Maastricht wohl nicht einkalkuliert. Wie berichtet hatten die Staaten der Europäischen Union sich bei der Gründung der Währungsunion gegenseitig versprochen, dass sie sich nicht helfen werden, wenn die öffentlichen Haushalte in einem Euroland in Not geraten. Dieses Versprechen ist als »No-bailout-Klausel« bis heute im Artikel 125 des Lissabon-Vertrags »über die Arbeitsweise der Europäischen Union« (AEUV) verankert.
    Diese Sicherung hat auf ganzer Linie versagt. Die Drohung des Artikels 125   AEUV, in der extremen Haushaltsnotlage nicht zu helfen, ist in der derzeitigen Situation eine leere Drohung. Der Grund dafür ist ganz ähnlich zu dem, weshalb der Vater seinem spielsüchtigen Sohn hilft. Die Franzosen und Deutschen stehen den Iren und Griechen zwar emotional nicht so nahe wie die meisten Väter ihren Söhnen. Zwischen ihnen besteht aber ein anderes Band. Geht ein Land der Eurozone in die Zahlungsunfähigkeit, schadet das einerseits den anderen Euroländern, z.   B. weil sie die Turbulenzen fürchten müssen, die eine Zahlungsunfähigkeit oder Zahlungsverweigerung eines Eurolandes für den Euro und für die Finanzmärkte mit sich bringt. Andererseits sind die Staatsschuldtitel von Euroländern zu großen Teilen in den Händen von Banken und anderen Kapitalsammelstellen, wie Lebensversicherungen oder Pensionsfonds. Mit der Insolvenz eines Eurolandes werden die Schuldtitel dieses Staats möglicherweise ähnlich »toxisch« wie die Schuldtitel aus der Hypothekenkrise und verlieren entsprechend an Wert.
    Der genaue Wertverlust der Papiere im Falle einer Insolvenz ist unklar. Die Gläubiger können zwar verschiedenste Rechtsmittel einlegen, aber unsicher bleibt das Ergebnis solcher Klagen weiterhin. Außerdem: Wie würde sich die Insolvenz des Staats auf das Innenverhältnis zu anderen Staaten der Eurozone und zur Europäischen Union auswirken? Könnte der insolvente Staat aus der Währungsunion austreten und seine Anleihen in eine neu zu schaffende nationale Währung konvertieren? Angesichts dieser Unwägbarkeiten ist der Wert der Schuldtitel eines insolventen Eurostaats fast so ungewiss wie der von verbrieften Hypothekendarlehen.
    So, wie die Finanzmärkte im Jahr 2010 aufgestellt waren, und auch so, wie sie im Jahr 2012 aufgestellt sind, kann ein Staatsbankrott zu einem Vertrauensverlust der Kreditinstitute untereinander führen. Das ließ sich bereits im Frühjahr 2010 beobachten, als sich die Banken untereinander kein Geld mehr leihen wollten. Allein der mögliche Zusammenbruch von Griechenland und ein entsprechender Ausfall bei den Anleihen brächten den Interbankenhandel zum Erliegen, auf dem die Institute ihre überschüssige
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