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Schulden ohne Suehne

Schulden ohne Suehne

Titel: Schulden ohne Suehne
Autoren: Kai A. Konrad , Holger Zschaepitz
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dass der Vater ihm in einer Notlage helfen wird. Deshalb tut der Sohn zu wenig, um eine Notlage zu vermeiden. Ja, der Sohn hat geradezu einen Anreiz, über die Stränge zu schlagen, sich an den schönen Dingen des Lebens zu erfreuen, dabei Schuldenberge aufzutürmen und sich dann den schlimmsten und brutalsten Kredithaien auszuliefern. Je schlimmer die Drohungen des Kredithais, desto stärker rührt die Situation das Herz des Vaters und desto weiter öffnet sich dann seine Brieftasche. Verzicht und Genügsamkeit lohnen sich für den Sohn eben nicht, solange der helfende Vater bereitsteht.
    Unschöne Verhaltensanreize gibt es in diesem Dilemma auch auf der anderen Seite: beim Vater. Ein Vater, der mit einem solchen Sohn gesegnet ist, wird den Blick nach vorne richten und erkennen, dass finanziellen Lasten auf ihn zukommen. Wie soll er reagieren? Er kann seinem Sohn wieder und wieder sagen, dass er ihm von nun ab nicht mehr helfen wird. Aber dass das nicht funktioniert, wissen beide. Oder er kann sich ausrechnen, dass er bald einmal wieder mehr Geld benötigen wird, weil sein Sohn gerade über die Stränge schlägt. Ein vorsichtiger Vater wird vielleicht sogar Vorsorge treffen und finanzielle Rücklagen bilden. Mit denen kann er dann die Schulden seines Sohns begleichen. Auch das ist keine sehr angenehme Alternative, die sogar noch einen weiteren Nachteil hat: Der Sohn kann in diesem Fall mit noch höheren Hilfsleistungen seines Vaters rechnen.
    Kredithaie leihen Söhnen von reichen Eltern wohl eher Geld als Söhnen von Habenichtsen. Der Wucherkredit dürfte umso freizügiger fließen, je reicher die Eltern sind. Der Vater hat deshalb noch eine weitere Alternative. Er kann einfach selbst dem Luxus frönenund sein Vermögen möglichst schnell verprassen. Von einem solchen Vater ist in der Zukunft nicht viel zu holen. Ein Sohn, der das vorhersieht, wird selbst finanziell vorsichtiger sein. Und auch die Kredithaie werden über diese veränderte Situation wohl nachdenken. Ihre Bereitschaft, dem Sohn größere Summen zu leihen, dürfte sinken. Sie wissen, dass auch der Vater für diese Kredite nicht geradestehen kann, selbst wenn er es wollte. 105
    Die gleiche Anreizproblematik besteht in der Eurozone. Anscheinend freiwillig helfen die Euroländer einem Mitgliedsstaat am Rande des finanziellen Zusammenbruchs aus einer extremen Haushaltsnotlage heraus. Sie tun das nicht aus Nächstenliebe, sondern weil es für die eigene Nation besser ist, als nicht zu helfen. Sonst würden sie ja nicht helfen. Und auch hier gilt: Nicht die Hilfe an sich ist das Problem. Wenn Geld von Deutschland nach Griechenland fließt, dann haben die Deutschen eben etwas weniger und die Griechen etwas mehr. Ob das insgesamt gut oder schlecht ist, lässt sich aus übergeordneter Perspektive nicht sagen. Vielleicht zahlen die Deutschen ja sogar freiwillig. Und freiwillig tut man nur Dinge, die man unter Abwägung aller Aspekte für sich als vorteilhaft empfindet. Das Problem ist vielmehr, dass die Erwartung aller Beteiligten, dass diese Hilfssituation eintreten wird, von vornherein falsche Verhaltensanreize setzt.
    Wer auf Hilfe in der Not vertrauen kann, hat kaum Anreize, eine drohende finanzielle Notlage aus eigener Kraft abzuwenden. Ausgabensenkungen und Steuererhöhungen wären klassische Maßnahmen, mit denen man eine drohende Haushaltsnotlage freiwillig abwenden kann. Beide Maßnahmen sind aber unbeliebt bei vielen Wählern und Politikern. Staaten nehmen häufig lieber Kredite auf, wenn die Steuereinnahmen klein und die Ausgabenwünsche groß sind. Das führt aber zu einem Anwachsen der Staatsschulden. Irgendwann entsteht dann eine Haushaltsnotlage.
    Das ist für den Staat auch gar nicht so schlimm, wenn die anderen Staaten dann in der Notlage mit Geld helfen. Es ist vielleicht ein wenig peinlich, die anderen Staaten um Hilfe anzugehen. Vielleicht muss man sich auch öffentlich als Staatsmann des Landes entschuldigen, seinen Kollegen im Europäischen Rat der Finanzminister sagen, dass man das alles schrecklich bedauert.Aber einen Großteil der Schuld für die Notlage kann man öffentlich ja auf andere abwälzen. Die Bürokratie zum Beispiel. Oder die schreckliche Korruption im Land. Oder auf aktuelle Ereignisse wie die Finanzkrise. Oder auf die Vorgängerregierung, die vermeintlich alles falsch gemacht hat. Wer die Schuld für die Schulden der gegnerischen Ex-Regierung anhängen kann, ist moralisch aus dem Schneider. All das ist jedenfalls weniger
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